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Waldesruh

Waldesruh

Titel: Waldesruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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ihnen verstreute Klamotten.
    »Fullhouse«, rief ein rothaariges Mädchen, das in einem gelben BH und Jeans dasaß, und ihre Freundin in roter Unterwäsche quietschte: »So, Lennart, das kostet dich dein letztes, kostbares Kleidungsstück!«
    »Ja, runter damit!«, grinste ein Junge mit nacktem Oberkörper.
    Der Angesprochene saß splitternackt auf einem Haufen zusammengeknüllter Klamotten und jammerte: »Oh nein! Nicht meinen Hut! Nur nicht den Hut!«
    Die anderen kicherten. Auch Emily musste grinsen.
    »Was ist denn hier los?«, fragte Marie fassungslos.
    »Strip-Poker«, erklärte die rote Unterwäsche. »Du kannst einsteigen, Lenni ist raus. Du kannst doch pokern?«
    »Verschwindet, das ist mein Zimmer«, kreischte Marie.
    »Nun hab dich nicht so«, sagte der halb angezogene Junge. Der Verlierer mit dem Hut stand auf. »Ach, ich finde, es reicht! Ich habe mal wieder verloren, ich gebe es zu.« Er nahm den eierschalenfarbenen Strohhut mit dem schwarzen Hutband von seinen wirren blonden Haaren und hielt ihn sich vor die Stelle, die Emily einem Reflex gehorchend gerade angestarrt hatte.
    »Ich bin Lennart«, sagte er und lächelte Emily zu. »Und man schaut den Leuten in die Augen!«
    Emily wurde rot wie ein Hummer, ehe sie sich auf ihre Manieren besann und stotterte: »Ich...äh, ich bin Emily und das ist Marie. Wir wollten hier... also, wir wussten ja nicht...«
    Der Junge neigte in einer grazilen Geste den Kopf. »Angenehm. Ihr habt mich gerettet! Meinen Hut gebe ich nämlich nie her. Ohne den bin ich sozusagen nackt.« Mit diesen Worten setzte er seinen Hut wieder auf den Kopf, hob sein Kleiderbündel vom Boden auf und fragte förmlich: »Gibt es hier einen Ort, an dem ich mich unter Ausschluss der Öffentlichkeit ankleiden kann?«
    Marie hatte es die Sprache verschlagen, deshalb schlug Emily vor: »Vielleicht im Bad?« Sie merkte, wie sie den Nackten noch immer anstarrte – dieses Mal in sein Gesicht. Er hatte klare blaue Augen, in denen es schelmisch blitzte. So etwas wie Hemmungen schien er nicht zu kennen. Er bedankte sich für die Auskunft, dann bot er den Mädchen noch den Anblick seiner Kehrseite, ehe er ohne Hast aus dem Zimmer schritt. Seine Mitspieler folgten ihm, die Mädchen hatten sich in Windeseile angezogen, der andere Junge schlüpfte im Gehen in sein T-Shirt und machte im Hinausgehen seinen Sorgen Luft: »Hoffentlich haben uns diese Sackgesichter jetzt nicht das ganze Bier weggesoffen!«
    Die Tür schlug zu. Emily und Marie sahen sich sekundenlang an. Dann stürzten sie auf Maries Bett, kringelten sich und prusteten vor Lachen.
    Als sie sich halbwegs beruhigt hatten, meinte Emily: »Die Musik ist gar nicht so schlecht.«
    »Geht so.«
    »Kennst du die Leute?«
    »Ein paar. Die meisten sind aus Jannas Klasse oder aus ihrer Theatergruppe. Das eben waren Stefan und Lennart, die zwei Tussen kenn ich nicht.«
    Lennart, der Nackte mit dem Hut, ist sicher in der Theatergruppe, dachte Emily, aber sie fragte nicht nach, denn gerade hatte jemand die Anlage bis zum Anschlag aufgedreht – Vayamo s Companero s von Marquess.
    »Oh, ein Mädchenlied«, brüllte jemand.
    »Was meinst du, wollen wir tanzen?«, fragte Emily vorsichtig und wippte dabei unwillkürlich mit den Hüften. »An der Party ändern wir eh nichts mehr, da können wir auch mitmachen.«
    »Hast du gewusst, dass die Typen aus Hannover sind?«, grummelte Marie.
    »Welche Typen?«
    »Marquess.«
    »Nö. Ist mir auch egal. Komm tanzen.«
    »Von mir aus«, stöhnte Marie und dann rannten sie die Treppe hinunter und stürzten sich ins Getümmel.
    Janna brachte den Vormittag mit Putzen und Aufräumen zu, während Marie demonstrativ im Garten auf einem Liegestuhl lag und las. Die Stimmung zwischen den Schwestern war noch immer angespannt. Emily wusste nicht so recht, wohin mit sich, außerdem hatten die zwei Caipirinhas auch bei ihr gewisse Nachwirkungen hinterlassen: Wenn sie den Kopf zu schnell be wegte oder zu rasch aufstand, fuhr ihr ein Messer durchs Gehirn und danach drehte sich die Welt um sie herum. Am wohlsten war ihr an der frischen Luft, also pflückte sie mit Moritz Johannisbeeren und machte mittags für alle Pfannkuchen.
    Moritz hatte der Biergenuss offenbar nicht weiter geschadet, abgesehen von einem anhaltenden Schluckauf, mit dem er allen auf die Nerven ging, fühlte er sich gut. Was man von Janna nicht sagen konnte. Als sie heute Morgen in die Küche gekommen war, hatte Marie nur bemerkt: »Ich glaube, ein Sarg geht auf.« In der

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