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Waldesruh

Waldesruh

Titel: Waldesruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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dass Traum und Wirklichkeit eins werden können. Wie naiv sie gewesen war!
    »Aber bitte, du musst nicht hierbleiben, du kannst ruhig abhauen!«, giftete Janna weiter. »Ruf Papi an, der kommt von seinem Segelboot runter und holt seine kleine Prinzessin hier raus. Aber vergiss nicht, was du geschworen hast.«
    »Ich würde euch nie verraten, das weißt du genau«, verteidigte sich Emily. »Aber es gibt schon Gerüchte. Axel weiß wohl Bescheid und sogar Lennart ahnt schon was!«
    »Ach?«, mischte sich nun Marie ein. Sie war die ganze Zeit stumm geblieben. Jetzt sah sie Janna lauernd an. »Hast du Axel etwa was verraten?«
    Janna wurde verlegen. »Ich konnte nicht anders. Er hat neulich gefragt, wo denn Oma schlafen wird, wenn sie aus dem Krankenhaus kommt – weil ich doch jetzt ihr Schlafzimmer habe. Und da habe ich’s ihm gesagt. Aber der erzählt das nicht rum, er hat es mir geschworen.«
    »Du bist so saublöd!«, schrie Marie ihre Schwester an. »Habe ich dir nicht gleich gesagt, dass du den nicht ins Haus lassen sollst? Aber nein, Madame muss ja ihren Macker hier anschleppen und Partys feiern... Wahrscheinlich weiß schon der ganze Ort, dass hier was nicht stimmt! In ein paar Tagen wird wieder das Jugendamt auf der Matte stehen!«
    Ein Geräusch unterbrach Maries Geschrei. Es war Emilys Handy, das auf dem Küchenschrank lag.
    »Mami und Papi rufen an«, sagte Janna spöttisch. Emily warf ihr einen zornigen Blick zu und ging zu ihrem Telefon. Es war nicht das Klingelzeichen ihrer Eltern und auf dem Display leuchtete eine lange, völlig unbekannte Nummer.
    »Hallo?«
    »Hi, van Gogh!«
    »Wer ist da, bitte?«
    »Sind die Ohren noch dran? Hier ist der Mann mit dem Hut!«
    Lennart! Emily hätte fast aufgeschluchzt. Plötzlich hatte sie das unbezähmbare Bedürfnis, ihm alles zu erzählen, sich die ganze Sache von der Seele zu reden. Aber natürlich ging das nicht.
    Sie lief aus der Küche hinaus in den Garten.
    »Wie geht es dir in Schweden?«, fragte sie mühsam beherrscht, doch seine Antwort hörte sie nicht mehr, denn in diesem Moment sah sie den Wagen.
    Er war groß und schwarz, ein Geländewagen. Sie hatten ihn nicht kommen hören, vermutlich, weil sie so sehr in ihren Streit verstrickt gewesen waren. Jetzt hörte Emily die Reifen quietschen, eine Wolke Dreck stob auf, in der der Wagen davonschoss. An der hinteren Scheibe erschien wie eine Fata Morgana ein weinendes Kindergesicht.
    Emily dachte keine Sekunde nach, sondern setzte sich in Bewegung. Sie rannte so schnell wie noch nie in ihrem Leben.
    Das Nummernschild! Ich muss wenigstens das Nummernschild sehen! Aber die Staubwolke lag wie ein dichter, schmutziger Nebel über dem Weg. Keine Chance, etwas zu erkennen.
    Oh Gott, das Maisfeld!
    Emily versuchte, ihre Schritte zu beschleunigen, doch es war zu spät.
    Mit einem Aufheulen des Motors verschwand der Wagen hinter den hohen Stauden.
    Emily gab nicht auf. Verzweifelt rannte sie den Weg entlang durch den Staub, bis sie nicht mehr konnte und hustend und keuchend stehen blieb. Ihre Lunge brannte.
    »Hallo!?«, tönte es aus dem Handy, das sie noch immer in der Hand hielt. »Emily? Bist du noch da?«
    »Ich...ich kann jetzt nicht«, hustete sie in den Apparat. »Ich kann nicht mehr!«
    Die Mädchen saßen stumm im Wohnzimmer und starrten das Telefon an, als könnten sie es durch Hypnose zum Klingeln veranlassen. Marie riss an ihren Nagelhäuten, Janna kaute an ihren Haarsträhnen, Emily bekritzelte ein Stück Papier. Im Dorf läuteten die Kirchenglocken zu Mittag. Die erste Verzweiflung über Moritz’ Entführung war nun einem nervösen Schweigen gewichen. »Keine Polizei«, war das Letzte, was sie beschlossen hatten. Janna hatte es gesagt, sehr bestimmt, und niemand hatte ihr widersprochen. Das war vor einer Stunde gewesen. Jetzt sagte Marie: »Wir dürfen hier nicht so untätig herumsitzen und warten! Wir müssen das Bild suchen. Denn nur darum geht es ihnen. Das ist unsere einzige Chance, Moritz zu helfen.«
    »Ich könnte alle Bücher durchblättern«, schlug Emily vor, erleichtert, etwas tun zu können. »Vielleicht finden wir irgendwo einen Zettel oder so was.«
    »Gut«, sagte Janna. »Ich geh noch mal rauf auf den Dachboden. Wenn das Telefon klingelt, lasst mich rangehen.«
    »Und ich schau im Schreib-« Marie unterbrach sich und legte nachdenklich ihre Hand an die Lippen.
    »Was ist?«, fragte Janna.
    »Was hat die Kramp neulich gesagt, als sie hier war?«
    Emily schüttelte mutlos den Kopf. »Dass

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