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Waldos Lied (German Edition)

Waldos Lied (German Edition)

Titel: Waldos Lied (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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den Versuch, in die Schlacht einzugreifen.
    Am Ende behaupteten die Sachsen doch noch das Schlachtfeld. Aber es war ein seltsamer, fast unwirklicher Sieg. Nach vielen Stunden des Kampfes kehrte der Markgraf von Sommerschenburg mit seinen Männern auf das Schlachtfeld zurück, nachdem sie den Gegner in die Flucht geschlagen hatten. Denn der gilt als Sieger, der das Schlachtfeld als letzter behauptet. Otto von Northeim hatte denselben Gedanken. Als er jedoch die Truppen Friedrichs sah, dachte er, es seien Feinde. Seine Männer und er waren aber so erschöpft von der grausigen Ernte dieses Tages, dass sie einfach nicht mehr kämpfen konnten. Da befahl der Northeimer den Abzug.
    Der Markgraf aber feierte mit den Seinen den Sieg und die reiche Beute. Denn Heinrich und seine Männer hatten viel Wertvolles zurückgelassen. Was die Sieger nicht tragen konnten, verbrannten sie. Erst danach kamen sie auf den Gedanken, König Rudolf von den Geschehnissen zu berichten.
    Rudolf war wie vor den Kopf geschlagen. »Sag mir, Waldo, wie soll ich mit solchen Männern Heinrich besiegen? Die meisten sind tapfer und stark, doch keiner hält sich an Absprachen. Jeder kümmert sich nur um seinen eigenen Vorteil.«
    Ich konnte es ihm nicht sagen. Auch ich war völlig ausgelaugt und leer. Ich hatte geholfen, unsere Toten zu begraben. Es waren viele. Ich verwünschte mich, dass ich Rudolf jemals zu Gewalt und Kampf geraten hatte, als ich sie auf der Erde liegen sah, mit verrenkten oder abgehackten Gliedern, die Schädel gespalten, die Augen voller Entsetzen weit aufgerissen. Immer wieder studierte ich ihre Gesichter, besonders, als ich an die Stelle kam, an der wir gekämpft hatten. Doch ich erkannte keinen von ihnen wieder.
    Und vom Lager her trug der Wind die Schreie und das Stöhnen unserer Verwundeten zu uns herüber.
    Verwundete Feinde, die noch lebten, fanden wir nicht mehr. Die Männer des Markgrafen Friedrich hatten ganze Arbeit geleistet und alle getötet, die noch am Leben waren. Einfache Leute wurden nicht gefangen genommen. Sie brachten kein Lösegeld und keinen Ruhm. Einfache Leute, die umgekommen waren, verscharrte man an Ort und Stelle. Nur die Hochgestellten und Reichen kamen heim. Denn nach der Schlacht brachten selbst die toten Fürsten noch etwas ein. Jede reiche Familie zahlte, um den Vater oder den Bruder in der Heimat begraben zu können. Wer von den armen Familien hätte sich das leisten können?
    Als der König in mein Gesicht blickte, wurde seine Miene sanft. »Die erste Schlacht ist schwer, ebenso wie der erste Mann, den man tötet«, sagte er dann. »Aber man gewöhnt sich daran. Und später denkt man überhaupt nicht mehr darüber nach. «
    »Ich hoffe, ich werde mich niemals daran gewöhnen«, erwiderte ich niedergeschlagen. Dann ging ich.
    Meginfried und Beringo hatten begriffen, wie es um mich stand, und ließen mich in Ruhe. Erst am frühen Morgen machte ich mich auf den Weg zurück ins Lager. Ich hatte trotz einer überwältigenden Müdigkeit nicht geschlafen. Die Gefallenen ließen mich nicht los.
    Da sah ich, dass ich wohl nicht als einziger nicht zur Ruhe gekommen war. Kuno von Genf saß an einen Baum gelehnt und starrte ins Leere.
    Als ich mich näherte, begrüßte er mich mit einem kurzen Kopfnicken. »Ohne Euch würde der König nicht mehr leben«, begann ich nach einer Weile das Gespräch.
    Kuno antwortete nicht.
    »Ich habe noch nie einen Mann so furchtlos kämpfen sehen«, fügte ich nach einer weiteren Pause hinzu. »Es war, als wäre Euch Euer Leben vollkommen gleichgültig, so wenig habt Ihr Euch um die Schwertstreiche Eurer Angreifer gekümmert.«
    Da sah mich Kuno an. In diesem Moment schickte die Sonne ihre ersten Strahlen über den diesigen Horizont. Sein Blick war voller Hoffnungslosigkeit.
    »Es ist mir gleichgültig. Ich bin schon gestorben, als sie fortging.« Es war unnötig zu fragen, wen er meinte. Ich hatte ähnlich empfunden, nachdem ich erfuhr, dass das Kloster Sophia in Schande heimgeschickt hatte und ich sie nie mehr wiedersehen würde.
    Als die Sonne über den Horizont gestiegen war und ein nebliger, grauer Tag begann, als die ersten Laute aus dem Lager drangen, standen wir auf und gingen schweigend nebeneinander zurück.
     
    Die Toten waren erst wenige Tage unter der Erde, als die fremden Gesandten zum König kamen. Es waren hochgestellte Männer mit großem Gefolge. Mein Onkel Beringo zuckte zusammen, als er den Vornehmsten von ihnen und sein Wappen sah. »Das ist Brent von

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