Waldos Lied (German Edition)
hatte große Angst, Ihr würdet mich davon abhalten, das zu tun. Denn ich weiß sehr wohl, wie sehr Euch dieses Schwert in Eurem Kampf hätte helfen können.«
König Rudolf hatte mir zugehört, ohne mich zu unterbrechen. »So wenig Vertrauen hast du also zu mir, mein Freund«, meinte er schließlich zornig und niedergeschlagen zugleich. »Bin ich denn so furchtbar schlecht in den Augen der Menschen, so voller Fehler und habe ich mich so unbelehrbar gezeigt, dass es selbst ein Mensch, der mir wie du so nahesteht, nicht wagt, sich mir zu offenbaren? «
Ich schämte mich zutiefst für mein Misstrauen und meine Kleinmütigkeit. Das habe ich Rudolf an diesem Tag auch gesagt, dazu noch vieles mehr. Ich weiß nicht, ob ich die richtigen Worte fand. Denn ein Vertrauensbruch unter Freunden ist wie ein Dolch in den Rücken.
Es zeugt von der Größe dieses Mannes, dass er mir verzieh und niemals wieder davon sprach.
»Wo ist das Schwert jetzt?« fragte er mich noch.
»Ich weiß es nicht«, antwortete ich ehrlich. »Ich sah es zuletzt bei jenem Mann, den wir als Spion suchen ließen. Das war kurz vor der Schlacht von Mellrichstadt. Danach war der Fremde verschwunden. Er war auch nicht unter den Toten, die wir vor kurzem begruben.«
Rudolf nickte. »Gut, dann werde ich den Gesandten von König Wilhelm das sagen. Und nur das. Ich werde weder von deiner Suche noch von den Splittern im Griff der Waffe sprechen. Ich glaube, Wilhelm weiß gar nichts davon. Jedenfalls haben seine Gesandten die Reliquien nicht erwähnt. Ich hoffe, sie glauben mir. Versprich mir, dass du es mir sagen wirst, wenn du das Schwert gefunden hast. Versprich es mir von Freund zu Freund, Waldo von St. Blasien.«
Ich versprach es ihm. Eigentlich wäre das Versprechen nicht notwendig gewesen. Denn am Ende kam das Schwert zu ihm.
Nur wenige Wochen danach hörten wir, Heinrich stelle wieder ein Heer auf, um erneut in Sachsen einzufallen. Da strömten auch König Rudolfs Anhänger wieder herbei. Bald waren es an die sechzigtausend bis an die Zähne bewaffnete Kämpfer. Jeder von ihnen war dazu bereit, Heinrich dieses Mal die entscheidende Lektion zu erteilen.
Rudolfs Rivale um den Thron behauptete den Fürsten gegenüber, er habe den Rheinfelder und die Sachsen bei Mellrichstadt in Grund und Boden gestampft. Es gebe keine Sachsen mehr. Das reiche Land sei menschenleer und warte auf neue Herren, die es besiedeln. Das zumindest berichteten Rudolfs Spione.
»Er fürchtet wohl, sonst niemanden mehr zu finden, der mit ihm in den Krieg zieht«, meinte König Rudolf spöttisch, als er davon hörte. »Also baut er auf Habgier. «
Worauf auch immer Heinrich baute, die Saat ging auf. Viele kamen zu ihm, und als er dachte, er habe genügend Leute zusammen, um Rudolf zu schlagen, marschierte er ihm entgegen. An der Grenze zwischen Thüringen und Franken, dort, wo ein großes Waldgebiet liegt, wurde ihm jedoch schnell klar, dass er niemals sechzigtausend voll bewaffnete Männer besiegen konnte, und machte spornstreichs kehrt.
Anfangs herrschte großes Gelächter in Rudolfs Lager über diese Geschichte. Doch dann, als die Kunde zu uns drang, wohin Heinrich marschierte, wurden die Gesichter ernst. Heinrich trieb seine Leute in Eilmärschen nach Schwaben. Damit erreichte der Krieg auch unser Land.
Rudolf reagierte sofort. Er wusste, Heinrichs Ziel war die Verwüstung seines Landes und der Besitzungen des Zähringers. Königin Adelheid war bereits mit ihren Kindern aus der Obhut von Berthold von Zähringen an den Rhein geflohen. Zuerst hatte Heinrich wie eine Seuche in dessen Besitzungen und in den Ländereien von Welf von Baiern gewütet. Nun plante er offenbar die Gefangennahme von Rudolfs Familie, um seinen Gegner mit diesen Geiseln in die Knie zu zwingen. König Rudolf wußte aber auch, dass sein großes Heer nicht schnell genug war, um seine Kinder und die Königin noch rechtzeitig zu erreichen. Also sandte er Kuno von Genf, Beringo, Meginfried und mich zur Burg auf dem Stein, um sie in Sicherheit zu bringen.
Wir ritten, was die Pferde hergaben. Unterwegs erreichten uns grauenvolle Nachrichten. Die Männer Heinrichs plünderten, töteten und brandschatzten wie einst in Sachsen. Keine Kirche, kein Haus, keine Burg, ja noch nicht einmal die Friedhöfe waren vor ihnen sicher.
Wir fanden die Königin schwerkrank mit hohem Fieber auf der Burg auf dem Stein. Sie hatte trotz ihres geschwächten Zustandes bereits eine lange, gefahrvolle Flucht hinter sich, nächtliche
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