Waldos Lied (German Edition)
Ritte durch dunkle Wälder, immer begleitet von der Angst, dass die Männer Heinrichs aus dem Gebüsch brechen könnten. Die wilde Flucht hatte sie nach Konstanz geführt, auf den Hohentwiel, und andere Burgen am Rhein.
Alles geriet in helle Aufregung, als wir den Stammsitz der Rheinfelder auf dem Stein erreichten und hörten, dass die Truppen Heinrichs immer näher kamen. Adelheid und ihre Kinder Agnes und Berthold mussten fortgebracht werden. So schnell wie möglich. In aller Eile wurden die wichtigsten Habseligkeiten zusammengepackt. Bei Nacht und Nebel flohen wir mit der Königin und ihren Kindern aus der Burg und ließen nur eine kleine Wachmannschaft zurück. Unser Ziel war das Kastell Burgdorf im Emmental. Dort war die Familie des Königs zumindest eine Zeitlang in Sicherheit.
Während der ganzen Reise hatten wir große Bedenken, Heinrichs Männer könnten uns doch noch abfangen. Denn wir kamen nicht so schnell voran, wie wir wollten. Die Königin, ohnehin schon sehr geschwächt durch ihre Krankheit und die vorangegangenen schweren Tage, wurde täglich hinfälliger, ihr schönes Gesicht immer durchscheinender. Die Reise durch das spätherbstliche Land, durch peitschen den Regen, Sturm und Nebel hatte zu einem schlimmen Husten geführt, der sie immer mehr auszehrte. Als wir schließlich in Burgdorf ankamen, spuckte sie Blut.
Doch nicht nur um die Königin machten wir uns große Sorgen. Ich fürchtete auch um die Brüder in St. Blasien, denn Heinrich schonte niemanden mehr. Er wütete mit seinen Männern wie ein tollwütiger Hund in Rudolfs Herzogtum. Über hundert Kirchen fielen seiner Wut zum Opfer. Von überall her erreichten uns Nachrichten über geschleifte Burgen, niedergemetzelte Männer, erschlagene Priester und geschändete Frauen. Nach dem, was ich in Sachsen gesehen hatte, konnte ich mir gut vorstellen, wie es in meiner Heimat aussah. Dann erreichte uns die Botschaft von Berthold II., dem Sohn des Zähringers, dass sein Vater gestorben sei. Er hatte es nicht ertragen, die Zerstörung seines Landes mit ansehen zu müssen.
Täglich hoffte ich außerdem auf Nachrichten aus St. Blasien, die aber nie kamen. Am liebsten wäre ich zusammen mit Beringo und Meginfried losgeritten, um zu sehen, wie es um die Abtei stand.
Doch die Königin flehte mich an, sie nicht zu verlassen. Sie ahnte wohl, dass sie sterben würde. So blieb ich, um der Frau, die ich seit so langer Zeit verehrte, in ihren letzten Stunden beizustehen. Tag um Tag, Nacht um Nacht saß ich bei ihr, hielt ihre Hand und musste mit ansehen, wie sie mit jedem rasselnden Atemzug schwächer wurde, während der Winter das Land mit seiner Kälte überzog. Sie schien immerzu zu frieren. Gleichgültig, wie viele Becken mit glühender Holzkohle um ihr Lager standen, gleichgültig, mit wie vielen Decken und Pelzen wir versuchten, sie zu wärmen. Abwechselnd krochen ihre Tochter Agnes oder eine ihrer Frauen zu ihr ins Bett, um ihren zitternden Körper zu umfangen und zu wärmen. Doch nichts half. Da wünschte ich mir wirklich, der Zauberer zu sein, für den mich die Menschen hielten, um sie zu heilen. Aber ich konnte nichts tun, als warten und hoffen. Wie alle anderen auch. Diese hatten allerdings noch ihre Gebete, ihre Hoffnung, dass der Allmächtige die Königin retten würde. Doch ich wusste, dass alle Gebete umsonst waren, denn er hatte unendlich viel schlimmeres Leid geschehen lassen, ohne es zu verhindern.
Täglich kamen Boten des Königs, die sich nach Adelheids Zustand erkundigten. Er selbst war in seinem Kampf gegen Heinrich gefangen. Und täglich gaben wir ihnen dieselbe traurige Nachricht mit auf den Weg. Auch als der Frost endlich brach und die Nächte wieder wärmer wurden, erholte sie sich nicht.
Ihr Gesicht war bleich. Nur auf ihren bleichen Wangen brannten die roten Flecken des Fiebers. Ihre Stirn war von Schweißperlen bedeckt, als ich ihr zum letzten Mal die Beichte abnahm und den Leib und den Segen des Herrn spendete, als ich mit dem heiligen Öl das Kreuz auf ihre Stirn zeichnete. Inzwischen war sie so geschwächt, dass sie beinahe nicht mehr sprechen konnte. Immer wieder wurde sie von grausamen Hustenanfällen geschüttelt, gefolgt von einem Schwall von Blut. Noch nicht einmal dann klagte sie, sondern als sie ihre Frauen und ihre Tochter an ihrem Bett weinen sah, bat sie sie, nicht zu verzweifeln. Sogar jetzt noch machte sie den Menschen Mut, die sie liebten. Und das waren so viele. Keiner konnte sich eine Welt ohne Königin
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