Waldos Lied (German Edition)
ähnlich wie das Schwert, das zum Thronschatz Heinrichs gehört. Doch dieses hier ist noch älter und mit Sicherheit nicht von einem Künstler aus unserer Gegend gefertigt. Außerdem ist eine Rose in seinen Griff eingearbeitet. Man kann sie kaum sehen. Es war Zufall, dass sie mir auffiel. Das Licht fiel in diesem Moment genau auf diese Stelle. «
Ich sprang auf, als hätte mich eine Schlange gebissen, packte meinen Onkel an den Schultern und schüttelte ihn mit aller Kraft. »Sag das noch einmal. Welches Zeichen trägt das Schwert? Sag schon, sag! «
»Waldo, was ist denn in dich gefahren? Bist du toll geworden? «
Ich gab nicht nach. »Bitte, sage das noch einmal. Ich weiß nicht, ob ich dich richtig verstanden habe«, bat ich ihn schwer atmend, aber schon etwas ruhiger.
»Also gut. Ich habe vergessen, dass du manchmal schlecht hörst. Das Schwert des Fremden hat im Griff ein Zeichen in Form einer Rose.«
Ich musste mich erst einmal setzen. Die Knie waren mir weich geworden. »Das dachte ich mir«, erklärte ich dann nicht besonders intelligent.
Meginfried und Beringo musterten mich verdutzt. »Wieso?« erkundigte sich Meginfried.
»Ja, wieso?« wollte auch Beringo wissen. »Erst machst du einen solchen Aufstand, dass einem um deinen Geisteszustand angst und bange wird, und dann weißt du auf einmal Bescheid. Das musst du uns schon näher erläutern.«
Ich seufzte. Natürlich kannten die beiden die Geschichte von meiner Suche nach dem Schwert. Sie wußten fast so viel wie ich selbst. Von der Rose hatte ich ihnen aber niemals etwas erzählt. Also berichtete ich ihnen von dem Gespräch, das ich mit Agnes von Burgund, der Mutter Heinrichs, vor vielen Jahren in Fruttuaria geführt hatte.
»Das ist erstaunlich, wirklich sehr seltsam«, stellte mein Onkel daraufhin fest.
»Eigenartig«, stimmte Meginfried ihm zu.
Ich konnte ihnen nur beipflichten.
Am nächsten Tag fanden wir nach langem Suchen tatsächlich eine Höhle nicht weit entfernt von der Stelle, wo wir den Fremden verloren hatten. Aufgeschüttetes Laub und Moos wiesen darauf hin, dass hier ein Mensch gewesen sein musste.
»Sagte ich doch, Höhle«, knurrte Meginfried befriedigt.
»Das sagtest du, mein Freund«, bestätigte Beringo dem Hünen. »Waldo, hast du etwas in dieser Höhle gefunden, das uns einen Hinweis darauf geben könnte, wer sich dort verborgen gehalten hat? «
Ich schüttelte den Kopf.
Obwohl mehr als ein Mann nach ihm Ausschau hielt, wurde der Fremde danach nicht wieder im Lager gesehen.
König Rudolf wurde immer unruhiger. Er wartete schon seit vielen Tagen zusammen mit den sächsischen Fürsten vergeblich auf das Heer der Schwaben, die er zu seiner Unterstützung herbeigerufen hatte. Immer wieder meldeten Kundschafter zwar, die Truppen hätten sich gesammelt und seien losgezogen, aber sie kamen nicht. Die Zeit drängte. Jeder wusste, dass auch Heinrich mit seinem Heer näher rückte. Und dann geschah, was Rudolf befürchtet hatte. Heinrich marschierte mit seinen Männern mitten zwischen die Schwaben und die Sachsen, um eine Vereinigung der beiden Heere zu verhindern. Als der König das hörte, befahl er den sofortigen Aufbruch.
Die beiden Heere prallten bei Mellrichstadt aufeinander. Dieses Mal gab es kein Geplänkel, kein Spiel der Muskeln, keine Drohgebärden. Heinrich war auf einen Kampf aus. Und König Rudolf ebenfalls. Er sah keine andere Lösung mehr, als das Schwert entscheiden zu lassen. Denn der Papst hatte sich noch immer nicht auf einen der Könige festgelegt. Doch um auch hier ein Zeichen zu setzen, kämpfte Rudolf unter dem Banner des Apostolischen Stuhls. Ich beobachtete die Schlacht von einer kleinen Erhebung aus, auf der sich viele der Geistlichen zusammengedrängt hatten, die jedes Heer in großer Anzahl begleiteten.
Die Männer stürmten aufeinander los. Das Fußvolk der Sachsen mit seinen Lanzen und Knüppeln warf sich mit dem Schlachtruf »Heiliger Petrus« auf den Feind und versuchte, eine Bresche in die Phalanx der Feinde zu schlagen. Obgleich viele Männer dabei ums Leben kamen, gelang es keiner Seite, einen entscheidenden Vorteil zu erringen. Die sächsischen Reiter sprengten schon bald darauf hinterher, und der Schwertkampf Mann gegen Mann begann. Jede Seite machte Gefangene.
Sobald der erste Kämpfer auf den Feind einschlug, begannen einige der Kleriker um mich herum, weithin hörbar Psalmen zu singen. Andere knieten Schulter an Schulter und schrien ihre Gebete zu den Kämpfern hinunter. Je lauter das
Weitere Kostenlose Bücher