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Waldos Lied (German Edition)

Waldos Lied (German Edition)

Titel: Waldos Lied (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Ertrinkende.
    Da hielt es mich nicht länger an der Tür. Denn meine Angst um Adelheid von Rheinfelden war zu groß. Ich setzte das Mädchen ab, und ebenfalls schluchzend und brüllend kämpfte ich mich durch den Ring der Menschen um das Lager meiner Herrin. »Haltet ein, Herzog Rudolf, um der Barmherzigkeit des Herrn, haltet ein«, schrie ich, so laut ich konnte. Ich schämte mich der Tränen nicht, die über mein Gesicht rannen. Reginlind kämpfte immer noch mit dem tobenden Rheinfelder. Sie zerrte und zog so stark an ihm, dass er seine üblen Absichten nicht ausführen konnte. Die anderen Frauen kamen ihr zu Hilfe, und auch die kleine Adelheid klammerte sich jetzt an ein Bein des Vaters, jämmerlich schluchzend und voller Verzweiflung.
    Das verschaffte mir Raum. Ich riss Herzogin Adelheid den Säugling aus dem Arm und schüttelte ihn in meiner Hilflosigkeit heftig. Ich wollte, dass dieses Kind wieder zurückkehrte aus der Welt der Schatten in dieses Leben. Denn sonst würde Rudolf sein Weib morden. Bis heute glaube ich, dass es eine höhere Macht war, die mir diese Tat eingab. Denn plötzlich hustete der Sohn des Herzogs, tat einen tiefen Atemzug und stieß dann einen gequälten Schrei aus.
    Plötzlich war es völlig still, als wäre ein Engel durch den Raum gegangen. Alle starrten auf mich und das Kind, auf das ich ebenso fassungslos hinunterblickte. Der Knabe schrie weiter, es klang aber eher wie das angstvolle Mauzen einer kleinen Katze als nach dem kräftigen Gebrüll eines gesunden Säuglings. Dennoch, die Stimme seines Sohnes schien meinen Herrn Rudolf aus einer anderen Welt zurückzuholen. Er schaute mit großen Augen erst auf seinen Sohn, dann auf mich und schließlich auf seine erhobenen Hände, eben noch bereit, den Hals seines Weibes zu umfassen und zusammenzudrücken. Sein Blick war gleichzeitig erstaunt und leer.
    Langsam senkte er die Arme. Ohne ein Wort, doch mit einem Blick des Hasses auf seine Gemahlin, verließ er die Kammer.
    Da ging ich zum Lager meiner Herrin und legte ihr das Kind in den Arm. Der Säugling wurde sofort ruhiger. Und schon näherte sich die Amme, nahm ihn auf, öffnete ihr Hemd und legte das Kind an ihre Brust. Berthold von Rheinfelden tat einige Schluck und schlief dann sofort ein, geschwächt von seiner Ohnmacht und seinem Schreien.
    Die Frauen Adelheids wandten sich verlegen ab. Keine von ihnen konnte der Herzogin in die Augen blicken. Wie ich hatten sie wohl das Gefühl, eine Szene miterlebt zu haben, die eigentlich für kein fremdes Auge bestimmt war. Adelheid von Rheinfelden schickte sie mit schwacher Stimme aus dem Raum. Nur Reginlind durfte bei ihr bleiben. Und erst jetzt, als ich die Gattin Graf Werners auf Adelheids Lager sitzen sah, erkannte ich, dass auch sie ein Kind trug.
    Ich stand im Raum fühlte mich unbehaglich und wollte mit einer Verneigung gehen. Da hielt mich die leise Stimme der Herzogin zurück. »Das werde ich dir nie vergessen, Waldo, mein Freund.« Sie flüsterte es nur. Doch für mich ging nach all der Dunkelheit wieder die Sonne auf. Mir schoss das Wasser in die Augen, und ich hinkte, so schnell ich konnte, hinaus.
    Vor der Tür stand der Herzog, schwer atmend an die Steinwand gelehnt, und maß mich mit einem merkwürdigen Blick. Ich meinte Erstaunen darin zu erblicken, eine gewisse Angst, aber auch eine neue Form von Respekt. Er sprach dieselben Worte wie seine Gemahlin. »Das vergesse ich dir nie, Waldo, mein Freund.« Doch dieses Mal drangen sie nicht bis in mein Herz.
    »Ich werde nach St. Blasien reisen, um für die Genesung Eures Sohnes zu beten, wenn Ihr gestattet, Herr«, brachte ich mühsam hervor. Ich hatte plötzlich das Bedürfnis, so weit wie möglich aus dieser Burg des Unglücks zu fliehen.
    Rudolf nickte. Dann wurde sein Blick drohend. »Gnade dir Gott, wenn du jemals über das sprichst, was du gerade erlebt hast.«
    Ich schwieg. Die Scham, die er hätte empfinden müssen, fühlte ich. Schon eine Stunde später war ich auf dem Weg nach St. Blasien.
    Auf diese Weise sah ich den Ort meiner Kindheit einmal wieder. Das tröstete mich. Abt Warinharius musterte mich verwundert, als ich völlig verstört ins Kloster kam. Niemand sprach davon, dass ich für immer nach St. Blasien zurückkehren solle, und ich hütete mich, die Vorfälle nach der Geburt von Rudolfs Erben zu erwähnen. Zu groß war meine Angst um die Herzogin und zu groß, der Herr verzeihe mir, mein unvernünftiger Stolz auf das, was ich geleistet hatte. Hatte ich nicht zwei

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