Waldos Lied (German Edition)
Tagen einmal lächeln sah, dann nur auf einen Scherz ihrer neuen Gefährtin hin. Auch Rudolf von Rheinfelden betrachtete den weiblichen Gast mit großem Wohlgefallen. Zu viel Wohlgefallen, wie mir schien. Sein abschätzender Blick ruhte mehr als einmal auf ihren ausladenden Hüften und prallen Brüsten. Doch der lüsterne Ausdruck im Blick des Herzogs schien Reginlind eher unangenehm zu sein. Sie senkte stets züchtig die Lider oder entfernte sich, wenn sie sah, dass er sich näherte.
Eine Dienerin ließ mich ein. Die Frauen der Herzogin, die in dem dämmrigen Gemach saßen und an einem Gobelin stickten, betrachteten mich neugierig. Da kam mir auch schon die kleine Adelheid entgegen. So schnell sie mit ihren kleinen Beinchen laufen konnte, eilte sie zu mir. »Daldo, Daldo«, rief sie strahlend. Sie hatte erst seit kurzem zu sprechen begonnen. Die unschuldige Freude in ihren Augen erwärmte mein Herz. Ich erinnerte mich an die vielen Tage in diesem Jahr, an denen ich mit dem einsamen kleinen Mädchen gespielt und sie Huckepack an den Rhein oder in die nahe Umgebung der Burginsel am anderen Ufer mitgenommen hatte. Neben der Amme war ich der einzige Freund, den die Kleine hatte.
Die Herzogin lag halb aufgerichtet in ihren Kissen, zugedeckt mit wärmenden Decken aus Pelzen. Denn es war inzwischen kühler geworden, der Winter stand vor der Tür. Sie lächelte, als sie bemerkte, wie sehr ihre Tochter sich über mein Erscheinen freute. Ich indes erschrak, als ich erkannte, wie krank und blass sie aussah. Seit den Tagen der Schwert-leite Heinrichs hatte sie sich sehr verändert. Ihr ehemals jugendfrisches Gesicht wirkte eingefallen und hatte jede Farbe verloren. Sie winkte mich zu sich. Als ich mich verneigen wollte, ergriff sie meine Hand und zog mich sanft zu sich.
»Setz dich zu mir, Waldo.«
Stumm und erschrocken wegen ihres Zustandes tat ich, wie mir geheißen war.
»Du warst dem Haus Rheinfelden seit deiner Ankunft auf der Burg ein treuer Diener. Und meine kleine Adelheid hat dich auch in ihr Herz geschlossen. Die Kinder haben oft ein besseres Gespür als wir Erwachsenen, wem sie vertrauen können und wem nicht.«
Bei diesen Worten schenkte mir die Herzogin ein freundliches Lächeln, das mir wie ein Sonnenstrahl bis in die hintersten Winkel meiner Seele schien. Für einen Moment vertrieb es sogar die tiefe Traurigkeit aus ihren dunklen Augen.
Ihre Worte machten mich verlegen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
»Waldo, du weißt, dass ich wieder gesegneten Leibes bin? «
Diese Bemerkung war sehr ungewöhnlich. Über solche Dinge spricht eine Frau normalerweise nur mit ihrem Gemahl oder anderen Frauen. Ich nickte unsicher. Jeder in der Burg hatte Augen im Kopf und wusste, dass Herzog Rudolf seiner Gemahlin einen seiner seltenen Pflichtbesuche abgestattet hatte. Das Haus Rheinfelden brauchte einen männlichen Erben. Doch das Zusammenleben von Herzog und Herzogin war nach der öffentlichen Bekanntmachung ihrer, Schwangerschaft nicht besser geworden. Im Gegenteil, der Abstand und die Kälte zwischen ihnen wurden immer größer. Bald sprachen sie kaum noch miteinander. Rudolf holte sich bei anderen Weibern, was er brauchte. Ich warf einen Blick auf Reginlind, die auch im Raum war. Sie hatte den Blick auf ihre Stickerei gesenkt und erweckte den Anschein, als würde sie nicht zuhören.
Wieder hatte Adelheid von Rheinfelden meine Hand ergriffen. Diese Geste war von so großer Vertrautheit und gleichzeitig so voller mühsam zurückgehaltener Verzweiflung, dass mein Innerstes in Aufruhr geriet. Ich hätte sie so gerne getröstet. Doch ich verbot mir schon seit langem, zu glauben, ich könne jemals mehr für sie sein als ein unterhaltsamer und treuer Diener. Zwischen dem Zwerg und der Herzogin würde es niemals mehr geben können als diese kleinen Gesten. Für mich bedeuteten sie alles. Für sie war es nur Freundlichkeit.
Doch schon einen Augenblick später ließ sie meine Hand wieder los, und mir wurde kalt ums Herz.
Noch immer nicht hatte sie mir gesagt, weshalb sie mich hatte rufen lassen. Ihre Worte kamen langsam und leise. Es schien, als wiederholte sie meine Gedanken. »Eigentlich ist es nicht recht, dass ich, ein Weib, mit dir, einem Mann, über solche Dinge spreche. Doch außer dir habe ich keinen Freund auf der Burg.«
Ich warf mich vor dem Bett auf die Knie. »Zögert nicht, Herrin, von mir zu fordern, was Ihr braucht, und sei es mein Leben. Es gibt keine größere Freude und kein größeres Glück
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