Waldos Lied (German Edition)
eine weitere von Baiern-herzog Otto von Northeim. Sogar eine Schrift von Papst Alexander II. war darunter. Ich bekam nicht viel mit von dem, was die Boten mitzuteilen hatten, denn Rudolf rief mich nicht zu den Unterredungen. Nach dem Vorfall im Gemach der Herzogin war eine merkwürdige Entfremdung zwischen mir und meinem Herrn eingetreten. Er schien mich zu meiden.
Und dann kam eines Tages Graf Werner von Habsburg mit vielen Reitern und großem Gefolge: Er wollte seine Frau Reginlind wieder zu sich holen. Schließlich traf auch noch Abt Warinharius aus St. Blasien in der Burg ein. Ich freute mich sehr, meinen guten Ziehvater wiederzusehen. Doch er hatte nicht viel Zeit für mich. Er machte ein besorgtes Gesicht. Und so wartete ich ungeduldig, bis ich ihn eines Tages, in Gedanken versunken, im Burghof traf. Er lächelte, als er mich sah.
»Wie ich höre, hast du viel Gutes getan hier auf der Burg. Der Herzog spricht mit Wohlwollen von dir, mein Sohn. Und ich sehe auch an deinem neuen Gewand, dass Rudolf von Rheinfelden dich gut hält«, fügte er dann schmunzelnd hinzu
Mit Erschütterung bemerkte ich, dass Warinharius sehr viel älter aussah als bei unserer letzten Begegnung. In das frische, apfelbäckige Gesicht meines Ziehvaters hatten sich tiefe Falten eingegraben. Sein Lob trieb mir die Röte ins Gesicht. Ich muss wohl schon damals geahnt haben, dass es mir eigentlich nicht zustand.
»Es ist weniger, als ich gerne getan hätte«, antwortete ich deshalb lahm. »Doch was ist mit Euch, Vater Abt? Ihr seht müde aus.«
Warinharius nickte. Das Lächeln, mit dem er mich gemustert hatte, verschwand aus seinen Augen. »Es gibt Aufrührer unter den Fürsten. Heinrichs Beziehung zum Papst wird in dem Maße schlechter, in dem er versucht, sich an Kirchengut zu bereichern. Bischof Adalbert von Bremen und dieser nimmersatte Graf Werner, seine beiden Ratgeber, bestärken ihn auch noch darin. Hast du schon von Bischof Gunther von Bamberg gehört?«
Ich schaute erstaunt auf. »Ihr beschriebt ihn mir einmal als einen Mann, der von Aussehen, Verhalten und Geist her würdig sei, einer der großen Diener der Kirche zu sein.«
Warinharius konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. »Nun, mein Sohn, ich sehe, du hast mir gut zugehört.« Dann bekreuzigte er sich. »Nun, Gunther von Bamberg starb am 2.3. Juli in Ungarn, bei seiner Rückkehr von der Pilgerreise ins Heilige Land, von der du sicher schon gehört hast. Heinrich hat daraufhin das Bistum Bamberg für eine unermessliche Summe verkauft. Neuer Bischof von Bamberg ist nun Hermann, früherer Vicedominus von Mainz.« Warinharius schüttelte den Kopf. »Es muss ein Ende haben mit dieser Simonie, die Papst und König entzweit und die Menschen unglücklich macht.« Die letzten Worte sprach er mehr zu sich selbst als zu mir.
»Mein Herr Rudolf hatte ebenfalls großen Nutzen von dieser Art des Königs, hohe Kirchenämter zu besetzen«, wandte ich ein. »Denn soweit ich weiß, wurden auch seine Kisten um einiges Gold und Silber leichter, damit sein Bruder Adalbero, der Mönch aus St. Gallen, Bischof zu Worms werden konnte. Und Rudolf ist doch auch der Gönner unseres Klosters.«
Nun lachte Warinharius laut heraus. »Ich sehe schon, mein Sohn, du hast ebenfalls gelernt, dass das gleiche nicht immer dasselbe ist. Doch ich glaube, bei unserem guten Herzog Rudolf ist das Gewissen von Hab- und Machtgier noch nicht so abgestumpft wie bei manch anderem der Großen des Reiches. Nicht von ungefähr hat ihm Kaiserin Agnes, die Mutter unseres Königs, einst ihre Tochter zur Frau bestimmt. Rudolf mag zwar ein rüder Haudegen sein, doch ist er imstande, Recht und Unrecht zu unterscheiden. Und so unterstützt er eher jene Fürsten, die diesem Treiben ein Ende setzen und König und Papst wieder zusammenführen wollen. Doch dafür ist eines notwendig: Heinrich, unser aller geliebter König, muss seine falschen Ratgeber Adalbert von Bremen und Graf Werner, die ihn zu immer neuen Untaten antreiben, vom Hof verbannen. Der Sinn Heinrichs ist unbeständig und leicht beeinflussbar. Er braucht einen Ratgeber wie den besonnenen Bischof Anno von Köln. Auch dein Herr Rudolf neigt inzwischen zu dieser Meinung. Doch er ist darin noch nicht ganz entschieden. Dabei ist sein Mittun von höchster Wichtigkeit. Denn hinter ihm steht die ganze Macht seines reichen Hauses, ist er doch nicht nur Verwalter von Burgund, sondern auch Herr des mächtigen Herzogtums Schwaben. So suchen in diesen Tagen viele seinen Rat.
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