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Waldos Lied (German Edition)

Waldos Lied (German Edition)

Titel: Waldos Lied (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Menschen das Leben gerettet? Hatte mich nicht jene Frau mit Liebe in den Augen angesehen, die mein ganzes Sein ausfüllte? Nein, ich fühlte mich zu wohl in einer Welt, in der ich das Wohlwollen eines Herzogs, seiner Gattin und dann eines Königs gewonnen hatte. Ich eitler, selbstgerechter Tor. Dabei hätte ich sehr wohl wissen müssen, dass das Glück des Lebens nicht aus Tand und äußerem Schein besteht. Doch wenigstens war ich klug genug, auch in der Beichte über die Geschehnisse in der Burg zu schweigen, so dass niemals etwas nach außen drang. Und wenn ich heute davon erzähle, dann auch nur, weil jene, die es betrifft, schon lange den Weg alles Vergänglichen gegangen sind.
    Es gab noch einen anderen, der Schweigen bewahrte. Eines Tages schickte unser Vater Abt einen Mitbruder ins Scriptorium, der mich sofort zu ihm bringen sollte. Wenn der Abt von St. Blasien sagte »sofort«, dann bedeutete das höchste Eile. Ich ließ also alles stehen und liegen. Als ich gerade an die Tür seines Arbeitszimmers klopfen wollte, öffnete sie sich, und ein kleiner Mann stürmte heraus. Er hätte mich beinahe über den Haufen gerannt.
    »Könnt Ihr nicht besser aufpassen«, fuhr ich ihn an. Das schien ihn aber nicht zu beeindrucken. Im Gegenteil, er lachte, als er mich sah: »Ah, der Junge des Schwertes«, erklärte er. Dann biss er sich auf die Lippen, so, als sei ihm etwas herausgerutscht, das er lieber nicht gesagt hätte, und schickte sich an weiterzueilen.
    »Was soll das heißen, der Junge des Schwertes?« rief ich ihm nach.
    »Fragt Abt Warinharius«, tönte es zurück. Der Mann ließ sich nicht aufhalten.
    »Wer seid Ihr?« brüllte ich ihm hinterher.
    Er gab eine Antwort, doch ich konnte ihn nicht verstehen. Dann war er auch schon verschwunden. Ich stand vor der Tür und überlegte, ob ich ihm hinterherlaufen sollte. In Anbetracht meiner kurzen Beine und der Dringlichkeit, mit der Warinharius nach mir geschickt hatte, entschied ich mich jedoch dagegen. Inzwischen war mir aber eingefallen, wo ich diesen Mann schon einmal gesehen hatte: beim Fest zur Einweihung der Michaelskapelle vor einigen Jahren.
    Ich zuckte die Schultern und klopfte an die Tür. Nach einem freundlichen »Herein« trat ich ein.
    Der Vater Abt hob den Kopf von irgendwelchen Pergamenten, die er gerade studierte.
    »Ah, Waldo, es ist gut, dass du so schnell kommst. Herzog Rudolf befiehlt dich zu sich auf die Burg zurück. «
    Ich zog ein enttäuschtes Gesicht. »Jetzt schon? Ich hatte gehofft ...«
    Warinharius nickte. »Ich weiß, mein Sohn. Doch unser Beschützer hat nun einmal einen Narren an dir gefressen und duldet keinen Widerspruch. Du müsstest den Boten, den er ins Kloster schickte, auf deinem Herweg eigentlich noch gesehen haben. «
    Ich nickte. »Ein kleiner Mann mit einem dicken Schopf lockiger schwarzer Haare. Kennt Ihr ihn, hochwürdiger Vater? «
    »Er ist einer der Söldner des Herzogs, glaube ich. Er stammt nicht von hier, ich sah ihn heute auch zum ersten Mal. Auch kenne ich seinen Namen nicht. Warum willst du das wissen, mein Sohn? «
    »Es war seltsam. Als er Euch so eilig verließ, rannte er mich fast um. Und dann nannte er mich >Junge des Schwertes<. Als ich ihn fragte, was das zu bedeuten habe, lief er jedoch weiter und erklärte mir noch im Laufen, ich solle Euch fragen, ehrwürdiger Vater«, erläuterte ich. »Was hat das zu bedeuten? Was habe ich mit einem Schwert zu tun? Außerdem bin ich auch kein Knabe mehr.«
    Warinharius zögerte. »Das weiß ich auch nicht, Waldo. Wahrscheinlich war das nur einer der üblen Scherze, die Soldaten manchmal machen.«
    Irgendetwas stimmte hier nicht. Das spürte ich genau. Der Abt von St. Blasien schien sich sehr unbehaglich zu fühlen. Etwas hatte ihm große Angst eingeflößt. Doch auch auf mein Drängen hin erfuhr ich nicht mehr. Ich vergaß die ganze Angelegenheit. Erst Jahre später begriff ich, warum der Abt von St. Blasien bei der Erwähnung des Schwertes eine solche Furcht gezeigt hatte. Noch etwas anderes wurde mir klar. Warinharius hatte gelogen. Doch als ich dies erkannte, konnte ich ihn nicht mehr fragen.
    Am nächsten Morgen machte ich mich auf den Weg zum Herzog.
    In der darauffolgenden Zeit kam eine schier endlose Reihe von Reitern auf die Burg. Sie alle brachten Botschaften hoher Fürsten und Herren. Es erreichte uns ein Schreiben von Erzbischof Anno von Köln, eines von Herzog Berthold von Kärnten, dem Zähringer. Es kam eine Nachricht von Erzbischof Siegfried von Mainz,

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