Waldos Lied (German Edition)
für mich, als der zu sein, den Ihr Euch wünscht: Euer Freund«, stammelte ich voller Inbrunst.
Wieder bedeutete sie mir aufzustehen und mich zu ihr zu setzen. Sie musterte mich eindringlich. »Vielleicht ist es dein Leben, das ich von dir fordere.«
»Es sei Euer«, sagte ich mit fester Stimme und mit brennendem Herzen.
»Es geht mir nicht um mich, Waldo. Wenn Gott es so fügt, bin ich vielleicht bald vom Leid dieser Welt erlöst. Dieses Kind regt sich immer heftiger in meinem Leib, aber ich werde immer schwächer. Nichts vermag mich mehr zu erfreuen, noch nicht einmal die Sonne, die auf den Fluten des Rheins glitzert und die mich an meine sonnige Heimat im Piemont erinnert. Ich war noch so jung, als der Herzog mich zum Weibe nahm. Und nun fließt die Kraft des Lebens schon aus mir heraus, und ich weiß nicht, ob ich diese Geburt überstehe.«
Ich sah sie entsetzt an. In meine Augen stiegen Tränen. Wieder lächelte sie.
»So wird wenigstens ein Mann in dieser Burg um mich weinen, wenn ich in die Ewigkeit gehe«, sagte sie traurig.
Mir wurde schwer ums Herz. »Es gibt viele, die um Euch weinen würden, hohe Frau. Alle Menschen dieser Burg, alle, denen Ihr aus dem Gebot Eures gütigen Herzens heraus Gutes getan oder ein freundliches Wort gesagt habt, würden tief um Euch trauern, Herrin«, erklärte ich entschieden. »Doch Ihr werdet nicht sterben. Ich werde Tag und Nacht für Euch beten.«
»Es ist schön, Waldo, dass du mich tröstest, doch ich kenne meine Stellung in diesem Hause wohl. Aber bete nicht für meinen irdischen Leib, bete lieber für meine unsterbliche Seele. Mein Gemahl achtet mich nicht. Deshalb bitte ich dich von Herzen, Waldo, nimm dich meiner kleinen Tochter Adelheid an, die ohne mich allein wäre auf dieser Burg. Und sorge auch für das Kind, das ich im Leibe trage, falls ich bei seiner Geburt sterben sollte. Denn wenn es wieder ein Mädchen ist, wird Rudolf auch diesen Spross seiner Lenden nur gering achten. Ich habe verfügt, dass dir aus meinem Brautschatz dafür einige Schmuckstücke ausgehändigt werden. Schwörst du, dass du sie verwendest, um meine Kinder zu meiner Mutter Adelheid von Turin zu bringen, falls ihnen hier Gefahr drohen sollte? Denn nur sie kann sie beschützen. «
»Ich schwöre es bei meinem Leben«, erwiderte ich fest. So wurde zwischen dem Zwerg und der Herzogin ein Bund geschlossen.
Adelheid von Rheinfelden kam nur wenige Wochen vor dem Tag der Geburt des Herrn Jesus nieder. Es war ein schwerer Kampf, und die weisen Frauen fürchteten um ihr Leben. Das Kind, das sie gebar, war ein Sohn, ein schwächlicher kleiner Wurm, dem der erste Schrei des Lebens kaum aus der Kehle wollte. Zum ersten Mal sah ich den Herzog voll Freude zu seiner Frau eilen. Der Säugling wurde auf den Namen Berthold getauft.
Schon wenige Tage später, seine Mutter hütete noch das Bett, hatte es den Anschein, als würde der so lang ersehnte Erbe des Herzogs sterben. Als die Amme ihn stillen wollte, fand sie ihn regungslos und blau verfärbt. Die Herzogin, selbst fast noch an der Schwelle des Todes, war vor Erschöpfung eingeschlafen und hatte nichts von der Not des Kindes an ihrer Seite bemerkt.
Mein Herr Rudolf ließ mich sofort holen. Er stürmte schäumend vor Wut in die Kammer der Herzogin. Adelheid von Rheinfelden lag mit totenblassem Antlitz in ihren Kissen, das wie leblos aussehende Kind in den Armen. Die Amme stand laut greinend daneben und bekreuzigte sich unentwegt. Die anderen Frauen der Herzogin weinten ebenfalls. Nur Adelheid von Rheinfelden blieb stumm. Doch der Blick, mit dem sie den Herzog und mich empfing, als wir in ihre Kammer traten, hätte selbst einen Stein erweicht.
Nur nicht den Herzog. Er stieß die weinenden und schluchzenden Frauen zur Seite und beugte sich außer sich über die Herzogin.
»Elendes, nutzloses Weib! Zu nichts seid Ihr in der Lage. Noch nicht einmal dazu, meinen Sohn und Erben am Leben zu erhalten! « brüllte er meine Herrin Adelheid an, die noch nicht einmal den Versuch machte, sich zu verteidigen. Sie blickte nur weiter stumm zu ihm auf. Doch Rudolf sah gar nicht, wie seine Gemahlin litt, und stürzte sich auf sie, als wolle er sie erwürgen. Die Frauen begannen zu kreischen. Und eine von ihnen, Reginlind, packte Rudolf am Gewand, um ihn zurückzuhalten. Der Lärm in der Kammer wurde noch unerträglicher, das verzweifelte Wimmern der kleinen Adelheid immer lauter. Sie hatte sich zu mir geflüchtet und klammerte sich an mich wie eine
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