Waldos Lied (German Edition)
der Burg zog die Fröhlichkeit ein. Die Knechte und Mägde, die Ritter, die die Burg bewachten, sie alle schienen freudiger zu arbeiten, als wäre mit der Abreise des Herzogs ein großer Druck von ihnen gewichen. Ich selbst freute mich noch mehr darüber, dass Rudolf meinen alten Feind, seinen Neffen Kuno, mitgenommen hatte, so dass mir etwas Ruhe vor seinen feindseligen Blicken, kleinen Gemeinheiten und Nachstellungen vergönnt war.
Dennoch, wir alle warteten mit Bangen auf die Nachrichten aus Tribur. Denn das Schicksal unseres Herrn Rudolf war auch das unsere.
Die Botschaft, die davon kündete, was sich beim Hoftag ereignet hatte, erreichte uns noch, bevor der Herzog selbst wieder eingetroffen war. Die versammelten Fürsten hatten König Heinrich gezwungen, den habgierigen Erzbischof Adalbert von Bremen vom Hof zu vertreiben. Das oder die Abdankung — das war die Wahl, vor die sie den König gestellt hatten. Heinrich schäumte vor Wut, wie ich später von Rudolf erfuhr. Aber schließlich musste er nachgeben.
Doch das war noch nicht alles. Der zweite Ratgeber des Königs, jener Graf Werner, der sich mit dem Bremer Erzbischof einst zu Heinrichs Schwertleite im Stall getroffen hatte, starb eines sehr unehrenhaften Todes. Er war mit König Heinrich nach Tribur gereist und hatte im Dorf Ingelheim Quartier genommen. Nachdem seine Reisigen begonnen hatten, die Einwohner auszuplündern, setzten diese sich mit Waffengewalt zur Wehr. Es entstand ein hitziges Gefecht, bei dem Graf Werner rührig mitmischte, um seinen Leuten zu helfen. Doch nicht dabei sei er zu Tode gekommen, sondern durch den Knüppel, den ihm eine Tänzerin über den Schädel zog oder vielleicht ein Leibeigener. So erzählt man sich jedenfalls.
Herzog Rudolf kam besorgt von diesem Hoftag in die Burg auf dem Stein zurück. Kaum war er eingetroffen und hatte mit seinem Verwandten, Graf Werner von Habsburg, getafelt, da ließ er mich auch schon zu sich rufen. Unsere frühere Entfremdung erwähnte er während des Gespräches mit keinem Wort.
»Es bahnt sich Übles an, Waldo. Ich brauche deinen Rat. Du bist doch Mönch und kannst mir in den Angelegenheiten der Kirche vielleicht helfen. «
»Ich bin nur fast ein Mönch«, stellte ich richtig. »Derzeit trage ich nur den Froccus der Novizen, doch noch keine Tonsur.«
Rudolf winkte ungeduldig ab. »Das ist doch nichts als ein äußerlicher Akt.«
Ich erinnerte mich an das Gespräch mit Warinharius. »Für Euch vielleicht, Herr. Ihr verkehrt in einer Welt, in der die Fürsten sich ein Bistum kaufen können, wenn sie nur genügend Gold besitzen. Der König setzt jeden ein, der genügend bietet, egal ob er nun die kirchlichen Weihen erhielt und sich Gott in Treue angelobt hat oder nicht. Bei einem einfachen Mann ist das anders. Da bedeutet die Tonsur noch etwas.«
Rudolf blickte mir scharf in die Augen. »Du hältst nichts davon, dass der König die Bischöfe bestimmt? Du bist gegen die Investitur? «
Mir war klar, ich bewegte mich auf dünnem Eis. Ich wusste noch nicht genau, auf welche Seite sich Rudolf in Tribur geschlagen hatte. Und ich wusste auch nicht, ob ihm Abt Warinharius vor seiner Abreise von unserem Gespräch berichtet hatte. So tastete ich mich vorsichtig vor. »Wenn Ihr ein Vogel wärt, dem Himmel näher als andere, Herr, würdet Ihr dann den anderen Vögeln eher vertrauen oder einem Wolf, der sich ganz den irdischen Dingen widmet und an nichts anderes denkt als daran, seinen Wanst vollzuschlagen, also, wie er den Vogel verspeisen kann? «
Rudolf von Rheinfelden lachte. »Deine Vergleiche, Zwerg, sind immer wieder bemerkenswert. So würdest du also die Mönche als Vögel und die Fürsten des Reiches als Wölfe bezeichnen? «
Ich neigte nachdenklich den Kopf. »Nun, das könnt Ihr halten, wie Ihr wollt, Herr. Nicht jeder, der sich wie ein Vogel benimmt, kann auch dem Himmel nahe kommen. Und nicht jeder, der sich als Wolf gebärdet, will sich den Wanst voll-schlagen. Doch ich glaube, Vögel fühlen sich unter Vögeln wohler als unter Wölfen. Aber warum fragt Ihr mich das?«
Rudolf erhob sich von dem reichgeschnitzten Stuhl, auf dem er gesessen hatte. Sein massiger Körper drückte Unruhe aus. Er ähnelte mit seinem dunklen Bart, seinen engstehenden, braunen Augen unter den buschigen Augenbrauen und mit seiner großen Hakennase jedenfalls weit mehr einem Wolf als einem Vogel, dachte ich für mich. Ich hütete mich aber, diesen Gedanken auszusprechen.
Der nächste Satz des Herzogs
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