Waldos Lied (German Edition)
nur nebeneinander. »Ich bin müde, mein Sohn. Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, wenn ich mich nun, nach diesem langen Tag, zurückziehe«, sagte der Vater Abt schließlich. »Ich hoffe, dass wir uns wiedersehen.«
Das wünschte ich mir ebenfalls von ganzem Herzen. Und am nächsten Tag eröffnete ich meinem Herrn Rudolf von Rheinfelden, dass ich in das Kloster St. Blasien zurückkehren würde. Auch wenn mir der Abschied von Adelheid von Rheinfelden und ihrer kleinen Tochter fast das Herz brach. Und auf einmal stellte sich zu meiner großen Verwunderung heraus, dass viele meinen Abschied bedauerten. »Du wirst mir fehlen, Zwerg«, sagte selbst Rudolf von Rheinfelden. Doch er sah, dass meine Absicht unumstößlich war, und ließ mich gehen. Nur einer freute sich: sein Neffe Kuno, mit dem ich so lange um die Gunst der Herzogin gewetteifert hatte.
Bevor ich nach unserer Rückreise an den Rhein die Burg verließ, befahl mich die Gattin Rudolfs noch einmal zu sich. »Ich wollte dir für alles danken, was du für das Haus Rheinfelden, meinen Gemahl und Herrn und für mich getan hast«, sagte sie sanft. »Ich habe noch eine Bitte an dich, wenn du denn nun gehen musst. Bete für mich, lieber Freund. Und auch für meine Tochter Adelheid, für Berthold, meinen Sohn, für das Kind, das ich unter dem Herzen trage, und die Kinder, die ich noch gebären werde. Und bete für meinen Gemahl, Rudolf von Rheinfelden, den Herzog von Schwaben.«
Das tat ich. Jeden Tag, für sehr lange Zeit. Denn es sollten mehr als drei Jahre ins Land gehen, bis sich das Geschick des Hauses Rheinfelden wieder enger mit dem meinen verknüpfte. Ich hatte genügend Zeit, um zu beten und mein Gewissen zu erforschen.
Nie werde ich jenen Tag zu Pfingsten des Jahres I067 vergessen, an dem sie mir im Morgengrauen die Haare zur Tonsur schnitten und ich im Kreise der Brüder im Chorraum der Kirche von St. Blasien dem Allmächtigen meinen Treueschwur leistete. Dann übergaben sie mir die Kleidungsstücke, die jeder Mönch erhält: zusätzlich zum Mantel zwei Kutten, den schwarzen, knöchellangen Froccus, zwei Obergewänder, zwei kurze Beinkleider, zwei Paar Sandalen, davon eines mit Schuhriemen, zwei Paar Stiefel, zwei Pelzröcke, eine Kapuze aus Schaf- oder Katzenfell und fünf Paar Strümpfe. Ich nahm den Namen Warinharius an, nach meinem Ziehvater und Beschützer, dem Abt von St. Blasien. Doch alle nannten mich weiter Waldo.
Im Jahr darauf trugen wir unseren gütigen Vater Abt Warinharius zu Grabe und mit ihm auch die unbeschwerten Tage meiner Kindheit. Er nahm noch etwas anderes mit sich ins Totenreich. Ein beängstigendes Geheimnis, von dem ich erst ein Jahr später auf schreckliche Weise Kenntnis erhielt.
In Giselbertus fand sich ein würdiger Nachfolger für die Führung der Abtei. Die Mutter des Königs, Agnes von Burgund, hatte ihn auf Bitten Rudolfs zu uns gesandt. Mit ihm kam die ganze Weisheit der Ordensregeln, der Regeln des heiligen Benedikt, wie sie in Fruttuaria, dem Kloster der Kaiserinwitwe, in Cluny und einer wachsenden Zahl von Mönchsgemeinschaften bereits gelehrt wurden. Die Regeln der Armut, Keuschheit, des regelmäßigen Gebetes, der Demut und der Mäßigung brachten großen Segen nach St. Blasien. Denn als die Hörigen und Hintersassen, die Bauern und die Konversen sahen, dass wir Mönche nach ihnen lebten und treu zum Herrn standen, waren auch sie mit weniger Murren bereit, auf den Feldern und in den Bergwerken das Ihre zum Wachsen und Blühen der Abtei beizutragen.
Hoch und niedrig war von gleicher Leidenschaft erfüllt
Carmen de bello Saxonico
N och nie hatte ich Abt Giselbertus so erregt erlebt. Sonst war er ein Mann der Ruhe, mit strahlenden Augen, aus denen das Licht der Engel zu leuchten schien. Doch jetzt verrieten sogar die in Unordnung geratenen Falten seines Gewandes seinen inneren Aufruhr. Ich war im Scriptorium gerade mit dem Niederschreiben der Einnahmen des Klosters und mit der Betreuung der dort arbeitenden Novizen und Mönche befasst, als Giselbertus ganz gegen seine Gewohnheit auf mich zustürzte. Noch unter meinem gütigen Abt und Vater Warinharius war ich zum Leiter dieses wichtigen Teils des Klosters bestimmt worden. Giselbertus nahm sich keine Zeit für lange Vorreden: »Bruder, komm, es ist Furchtbares geschehen. Herzog Rudolf hat seine Gemahlin wegen Ehebruchs verstoßen. Sie hat sich zu uns geflüchtet vor dem sicheren Tod. Sie verlangt nach dir.«
Mir wurde das Herz schwer vor
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