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Waldos Lied (German Edition)

Waldos Lied (German Edition)

Titel: Waldos Lied (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Schwaben nicht zu kennen. Jeder spricht von deinen Worten und Taten, mein Sohn. Ganz besonders der König. Doch Heinrich ist dir nicht gerade freundlich gesinnt. Du scheinst ihm bezüglich seiner Vermählung und auch über andere Dinge nicht das gesagt zu haben, was er gerne hören wollte.«
    Ich neigte den Kopf und schwieg. Was hätte ich schon sagen können.
    Eine Weile standen wir nebeneinander und schauten stumm in den Himmel hinauf.
    »Jeder Stern hat sein eigenes Leuchten und von Gott dem ihm eigenen Platz am weiten Firmament«, begann Hugo von Cluny wieder. »Es ist eins von so vielen Wundern, die der Allmächtige, der Schöpfer dieser Welt, uns in seiner Liebe und Gnade schenkte.«
    Ich nickte. »Das empfinde ich ebenso.«
    »Dann ist Gott der Herr also noch nicht so weit von deinem Herzen und deiner Seele entfernt, dass du ihn nicht mehr anrufst? «
    »Warum sagt Ihr das, Vater Abt? «
    Hugo von Cluny zögerte einen Moment. »Weil ich das Gefühl hatte, du seist so in die Geschäfte und Machenschaften der Reichen und Mächtigen verstrickt, so in der Eitelkeit und Arroganz der Allwissenheit des Wahrsagers befangen, dass du vergessen haben könntest, wie klein und unbedeutend jeder von uns im Angesicht der Allmacht Gottes ist.«
    Der Abt von Cluny hatte genau das ausgesprochen, was ich in dieser Nacht empfand, ohne es in Worte kleiden zu können. »Mir ist, als liefe ich durch tiefes Dunkel. Und jedes Mal, wenn ich in der Ferne ein Licht leuchten sehe, erlischt es, ehe ich dort angekommen bin.«
    Hugo von Cluny legte mir die Hand auf die Schulter. »Du bist in deinem Herzen heimatlos, Waldo von St. Blasien. Denn du hast deine eigentliche Heimat verleugnet, die doch nur bei einem einzigen ist, bei Gott, unserem Schöpfer. Der Glanz und der Prunk der Großen, ihre Macht und ihr Einfluss haben dich so geblendet, dass du die wichtigsten Dinge nicht mehr sehen konntest und den Ursprung von allem vergessen hast.«
    »Ihr seid hart zu mir, ehrwürdiger Vater Abt. Doch Ihr habt recht. Ich bin von meinem Weg abgekommen. «
    Hugo von Cluny beugte die Knie, um mir in die Augen schauen zu können. Es war eine Geste so voller Güte und Mitleid, dass sie mich tief in meinem Innersten berührte. Ich warf mich ihm zu Füßen. Die Sehnsucht nach Geborgenheit, einem Ort, an dem ich ganz ich selbst sein und Wissen sammeln konnte, überfiel mich so plötzlich wie ein Schmerz.
    Hugo von Cluny blieben meine Gefühle nicht verborgen. »Es ist gut, Waldo von St. Blasien, dass du zur Einsicht gekommen bist. Du bist in die Irre gegangen, mein Sohn. Es wird Zeit, dass du zu Gott zurückfindest. Ich sehe an deiner Kutte, dass du dem Allmächtigen einst näher gewesen sein musst als jetzt. Willst du mir erzählen, wie es kam, dass du von deiner Bestimmung abgekommen bist? «
    Die Worte brachen nur so aus mir hervor. Es war eine inbrünstige und tiefempfundene Beichte. Hugo von Cluny unterbrach mich kein einziges Mal, hörte mir nur voller Aufmerksamkeit zu. Dann segnete er mich noch einmal. »Du bist jung, mein Sohn. Noch kannst du umkehren. Deine Worte beweisen mir, dass noch nicht alles in dir zerstört ist, was rein und gut war. Fürchte dich nicht. Auch ich musste in meinem Leben durch so manches dunkle Tal, bis ich das Licht des Herrn fand. Du bist zwar von kleiner Statur, doch du hast große Gaben. Nutze sie zum Lobe und zur Ehre des Allmächtigen.«
    Wieder sank ich in die Knie. Wieder schlug Hugo von Cluny segnend das Kreuz über mir. Dann nahm mich dieser gütige Mann in die Arme. Eine starke Woge der Nähe und der Liebe schwemmte all meine Ängste fort. Ich konnte dieses Gefühl kaum ertragen und versuchte, mich von ihm zu lösen.
    Der Vater Abt lachte. »Glaubst du etwa auch, mein Sohn, es sei ehrlos, wenn Männer einander umarmen? «
    Ich war beschämt. »Ich bin es nur nicht gewohnt, Vater Abt. Ich weiß sehr wohl, dass Ihr nichts Unziemliches beabsichtigt, nichts von der Art, was Männer manchmal mit Männern tun.« Danach wäre ich am liebsten in den Erdboden versunken. Vielleicht glaubte er jetzt, dass ich geglaubt hatte ... Ich war völlig verwirrt und suchte nach den richtigen Worten. »Ihr seid ein Hirte, der ein verirrtes Schäflein in die Herde des Herrn zurückholt«, sagte ich dann, erleichtert, die richtigen Worte gefunden zu haben.
    Abt Hugo von Cluny lächelte mich ohne jeden Groll an. »Und wirst du zurückkehren zur Herde des Herrn?«
    Darauf gab es nur eine Antwort. Danach sprachen wir nicht mehr viel, standen

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