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Waldos Lied (German Edition)

Waldos Lied (German Edition)

Titel: Waldos Lied (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Kummer. Mit ihrer ganzen Kraft kehrte meine Liebe zu Adelheid von Rheinfelden zurück, die in den vergangenen Monaten zu einem wärmenden Quell in jenem Teil meines Herzens geworden war, den ich vor Gott zurückgehalten hatte. Hastig legte ich die Feder aus der Hand.
    Ich fand zwei verschleierte Frauengestalten, auf einer Bank zusammengekauert. Bei ihnen saß ein kleines Mädchen. Es war jener Raum im Haus für die hochgeborenen Gäste, in dem ich Adelheid von Rheinfelden vor langer Zeit bei der Weihe der Michaelskapelle zum ersten Mal aus der Nähe gesehen hatte. Beide Frauen hatten schlafende Säuglinge in ihren Armen. Auch die Kleine rieb sich müde die Augen. Als sie mich jedoch sah, sprang sie auf und stürzte auf mich zu. Die kleine Adelheid war in den letzten drei Jahren kräftig gewachsen. Noch war die Rundlichkeit des Kleinkindes nicht ganz verschwunden. Aber der junge Körper begann sich zu strecken, und es war bereits das junge Mädchen zu ahnen. Für einen Moment wurde sie bei meinem Anblick wieder zu dem ungestümen Kleinkind von einst. Alle Erziehung zum geziemenden Benehmen fiel von ihr ab. »Daldo, lieber Dal-do, es ist so schön, dich wiederzusehen«, sprudelte sie hervor und warf sich wie früher in meine Arme. Sie nannte mich noch immer bei dem alten vertrauten Kosenamen, den sie erfunden hatte, als sie noch nicht richtig sprechen konnte. Mit Freuden schloß ich sie in meine Arme.
    »Adelheid, benimm dich so, wie es sich für eine Fürstentochter gehört!« — auf diese mahnenden Worte hin löste sie sich sofort von mir. Ihr kleines Gesicht mit den dunklen Augen, die so sehr denen ihrer Mutter ähnelten, wurde rot. Doch in der Stimme der Frau auf der Bank hatte auch ein leises Lachen gelegen.
    »Waldo, mein Freund, schon wieder bedürfen wir deiner«, begrüßte sie mich sodann mit leiser Stimme. »Dieses Mal bitte ich aber nicht nur für mich um deine Hilfe, sondern auch für meine Töchter und Reginlind mit ihrem Kind.« Sie wies auf den Säugling in ihren Armen. »Diese Tochter kennst du noch nicht. Agnes wurde geboren, nachdem du uns verlassen hattest. Und mir scheint, mit dir ging auch das Glück.««
    Wäre diese Stimme nicht gewesen, ich hätte sie kaum wiedererkannt, als sie in diesem Moment den Schleier zurückschlug. Tiefe Linien hatten sich um ihren Mund gegraben. Dunkle Ringe betonten die Trauer und das tiefe Leid in ihren Augen, deren Lächeln einst mein Herz hatte schneller schlagen lassen. Auch ihre Gefährtin schlug nun den Schleier zurück. Es war Reginlind, die Gattin des Grafen Werner von Habsburg.
    »Ich bin froh, dich wiederzusehen, Waldo. Ich sehe, es geht dir gut. Du hast deinen Platz in dieser Welt gefunden.
    Ich fühle mich bei deinem Anblick wie jemand, der mitten in einem fürchterlichen Sturm unter einer hohen Eiche Schutz gefunden hat«, fuhr Adelheid von Rheinfelden nach einer Weile fort. Wären die Umstände anders gewesen, ich hätte wegen des Vergleiches lachen müssen: der Zwerg als mächtige Eiche. Doch mir war nicht zum Lachen zumute.
    »Sagt mir, Herrin, wie kann ich Euch helfen? «
    Fast hilfesuchend blickte sie zu Reginlind hinüber. »Wo soll ich nur beginnen? Soll ich von meiner Schande, von der Schande meiner Schwester, meines ganzen Hauses erzählen? Hast du es denn nicht gehört?«
    »Ich hörte nur, dass König Heinrich die Scheidung von Eurer Schwester Bertha betreibt ...«
    Adelheid von Rheinfelden unterbrach mich. »Ja, das ist wahr. Er erkaufte sich die Erlaubnis von Bischof Siegfried von Mainz mit dem Versprechen, ihm zu helfen, den Zehnten aus dessen Besitzungen in Thüringen einzutreiben. Als Begründung für die Scheidung gab er an, er habe seinem Weibe Bertha niemals beigewohnt. Er gebe sie ebenso unbefleckt in andere Hände, wie sie zu ihm gekommen sei. Es ist eine Schande für die ganze Familie.
    Für die Woche nach dem Fest des heiligen Michael hat er nun deswegen eine Synode in Mainz einberufen. Bis zur Durchführung der Scheidung hat er meine Schwester, die Königin, ins Kloster Lorsch geschickt. Es scheint, als liege ein böser Fluch auf den Töchtern der Adelheid von Turin.« Sie schluchzte.
    Die Gedanken in meinem Kopf überschlugen sich. »Was ist mit Euch, Herrin? Ich hörte, auch Euch ist durch Euren Herrn Rudolf Ähnliches widerfahren? «
    »So hat Abt Giselbertus also schon mit dir gesprochen? « Ich nickte stumm, fast überwältigt von dem Verlangen, sie in meine Arme zu schließen und zu trösten.
    Sie zögerte. »Du weißt ja

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