Waldos Lied (German Edition)
habe bereits Boten geschickt«, erklärte er dann. »Beide tragen Briefe bei sich, die die Angelegenheit schildern. Einer geht nach Fruttuaria, zur Mutter Heinrichs. Sie steht in enger Verbindung mit dem Papst. Vielleicht kann sie sich in dieser Sache für das Geschlecht Rheinfelden verwenden. Ein weiteres Schreiben geht an Papst Alexander selbst, in dem ich auch ihm die Lage schildere und den derzeitigen Aufenthalt der Herzogin mitteile.«
Mein Herz setzte einige Schläge lang aus, als mir die Bedeutung seiner Worte aufging. »Ihr wollt sie ihren Richtern ausliefern?« Ich konnte es nicht glauben.
»Fasse dich, Bruder. Niemand will das. Bis der Papst sein Urteil gesprochen hat, mag sie hier bei uns im Frauenkonvent bleiben. Der Nonnenschleier wird sie vor den Augen der Welt verbergen. Sie ist also in Sicherheit. Niemand wird ihr und ihrer Gefährtin hier ein Leid zufügen oder die Rechte St. Blasiens, den Zwing und Bann, missachten. Doch Papst Alexander muss wissen, dass sie sich der Gerechtigkeit Gottes nicht entzieht. Nur so können wir die Sache zu einem guten Ende bringen. Wenn sie unschuldig ist, wird der Herr in seiner Güte für ein gerechtes Urteil Sorge tragen. Oder glaubst du nicht an ihre Unschuld, Bruder? «
Ich bekreuzigte mich hastig. Denn zu meiner ewigen Schande muss ich gestehen, dass ich lange nicht so wie unser Vater Abt davon überzeugt war, dass Alexander zu einem gerechten Urteil kommen, geschweige denn auch noch Rudolf davon überzeugen würde. Ich hatte bei Hofe zu viel erlebt. Bei den Ränken der Großen ging es nur selten um Gerechtigkeit. Doch ich hütete mich zu widersprechen. Für St. Blasien, dessen Hüter Giselbertus war, stand in dieser Sache zuviel auf dem Spiel. Ich wusste, weiter würde er nicht gehen.
So tat ich, was ich tun konnte. »Ich glaube an die Reinheit und Tugend Adelheids von Rheinfelden. Ich verbürge mich für sie mit meinem Leben. Und damit auch für die Schuldlosigkeit von Rudolfs Verwandtem, Graf Werner«, antwortete ich mit fester Stimme.
Giselbertus musterte mich eindringlich und nickte dann. »Graf Werners Sicherheit ist das nächste, um das wir uns sorgen müssen.«
»Das Gottesurteil, dem er unterzogen werden soll, die Wasserprobe, bedeutet seinen Tod, ob unschuldig oder nicht. Das hat er nicht verdient. Er ist ein guter Mann.«
»Willst du schon wieder an der Gerechtigkeit des Allmächtigen zweifeln, Waldo?« Ich meinte für einen Moment, mich verhört zu haben. Doch dieses Mal lag in der Stimme von Giselbertus leichter Spott.
»Vater Abt, nicht an der Gerechtigkeit Gottes zweifle ich, sondern an der der Menschen«, brauste ich auf. »Was ist das für ein Gericht, bei dem der Beschuldigte in jedem Fall sein Leben verliert! Er wird gefesselt in tiefes Gewässer geworfen. Geht er unter, so ist er unschuldig. Gelingt es ihm jedoch, sich von seinen Fesseln zu befreien und das rettende Ufer zu erreichen, so ist er schuldig und wird getötet. Denn es heißt, das Wasser ist heilig, und deshalb stoße es die Sünder ab. So ist er in beiden Fällen des Todes.«
»Waldo, Waldo, für einen Bruder im Herrn, einen geweihten Mönch und den Leiter des Scriptoriums unseres Klosters hast du einen recht unbeherrschten Sinn. Willst du mit großen Worten ausgleichen, was dir an körperlicher Größe fehlt?«
Da war er schon wieder, dieser leise Spott. Dieses Mal beherrschte ich mich zerknirscht. Es ging hier um mehr als den lächerlichen Stolz eines hinkenden Zwerges. Also biß ich mir auf die Lippen und senkte betreten den Kopf.
Da kam mir ein Gedanke. »Wenn denn Graf Werner wirklich das rettende Ufer erreichte, so müsste doch erst jemand da sein, der ihn im Namen des Herrn für seine Schuld richtet ...«
Giselbertus nickte. »Ich glaube, es liegt nicht in der Macht des Klosters St. Blasien, die geforderte Wasserprobe zu verweigern. Doch es ist auch nicht an uns, das Urteil zu vollstrecken. Dazu sind Höhere berufen. Der Bischof von Basel und der Bischof von Konstanz mögen sich um diese Aufgabe streiten. Bis sie sich einig sind, wird es einige Zeit dauern. Bis dahin ist Werner in Sicherheit. Ja, das könnte ein Weg sein. Ich werde sofort eine Botschaft an Abt Burchard ins Kloster Muri senden, das Kloster der Familie des Grafen. Muri ist für Werner das, was St. Blasien für Rudolf bedeutet. Burchard ist bekannt für seine Schlauheit, er wird uns sicher einen guten Rat geben.«
»Wenn es Werner nun gelänge, vor der Vollstreckung des Urteils zu entkommen? Vater
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