Waldos Lied (German Edition)
Botschaft des römischen Pontifex war eindeutig: Heinrichs Ansinnen sei in höchstem Maße verwerflich und in keiner Weise mit dem christlichen Glauben vereinbar, geschweige denn für einen König statthaft. Und für Erzbischof Siegfried von Mainz hatte Damiani die Androhung schwerer Strafen durch den Apostolischen Stuhl im Gepäck, falls er es gegen den Willen des Papstes wagen sollte, die Scheidung zu vollziehen.
Bei diesen klaren Worten aus Rom waren auch die letzten Fürsten abgefallen, die Heinrich in dieser Sache noch unterstützt hatten. Sie hatten den König beschworen, seine Ehre als König und die Ehre seines Namens nicht durch verwerfliches Tun zu beflecken.
Heinrich hatte zähneknirschend nachgegeben, sich zunächst aber immer noch geweigert, Königin Bertha zu sehen. In mir wuchs nach dieser Nachricht die Hoffnung, dass nun auch die Scheidungsanfrage des Herzogs von Schwaben niedergeschlagen würde. Kurz danach erreichte mich ein Brief von Adelheid von Rheinfelden. Die Herzogin teilte meine Einschätzung.
Liebster Freund,
wie ich Abt Giselbertus bereits vor einiger Zeit mitteilte, habe ich das Kloster Fruttuaria wohlbehalten erreicht. Wir sind alle bei guter Gesundheit, obwohl es auf der langen Reise so manche Schwierigkeit zu überwinden gab. Doch der Allmächtige hielt seine Hand schützend über uns. Er hat uns eine mächtige Fürsprecherin gesandt. Agnes, die Witwe des Kaisers selbst, hat sich meiner Sache angenommen. Sie gewann sogar den mächtigen Legaten Petrus Damiani als Fürsprecher beim Papst für mich. Er ist, wie die Kaiserin selbst, ein großer Verehrer der Ordensregeln des heiligen Benedikt, wie sie hier in Fruttuaria so vorbildlich gelebt werden.
Auch Markgräfin Margarethe von Tuszien-Canossa, eine Kusine des Königs, die das Leid der Frauen in dieser Welt kennt, steht mir in diesen schweren Zeiten gütig zur Seite. Sie ist eine enge Vertraute und Freundin der Kaiserinwitwe Agnes und unterstützt wie sie den gerechten Kampf der Kurie um die ungeteilte Autorität bei der Vertretung des Allmächtigen hier auf Erden.
Du siehst also, auch uns schwachen Frauen gelingt es, uns zu verbünden und unsere Sache zu vertreten, obwohl wir nur das Eigentum unseres Vaters oder unseres Gemahls sind und keine eigenen Rechte haben.
Papst Alexander hat in seiner Weisheit bereits die Scheidung des Königs von meiner Schwester Bertha verweigert und sie so vor großer Schande bewahrt. Nun kann ich hoffen, dass es auch um meine eigene Ehe nicht allzu schlecht bestellt ist.
Von einem, der mir Nachricht sandte, dessen Namen ich aber hier nicht nennen will, soll ich dir außerdem übermitteln, dass er lebt und ebenfalls guten Mutes ist. Wie auch ich, wird er niemals vergessen, was du für uns getan hast.
Adelheid von Rheinfelden, Herzogin von Schwaben
Der Vernichter Vulcan raste dahin mit losem Zügel ...
Er selbst aber verfolgte unablässig die, die jetzt noch widerstanden
und seine Zügel nicht trugen.
Carmen de bello Saxonico
B ruder Remigius räusperte sich zaghaft. Ärgerlich blickte ich von dem Brief hoch, den ich gerade an Abt Hugo von Cluny schrieb. Remigius war der Stachel in meinem Fleisch, die stete Mahnung des Allmächtigen, mich in der Tugend der Geduld zu üben. Ich spürte, wie die Gereiztheit wieder in mir hochstieg. Keiner der anderen Brüder war so ungeschickt oder hatte so viele unnütze Fragen. Doch war er im Grunde seines Herzens auch ein liebenswerter Mensch, allerdings überreich gesegnet mit der Unbeholfenheit eines jungen Kalbes. Er war nicht geboren für die Arbeit im Scriptorium. Er war eigentlich für keine Arbeit geboren. Was immer er anpackte, ging irgendwie schief. Ich unterdrückte einen ungeduldigen Seufzer, legte meine Feder nieder und ging zu ihm. Remigius' Arbeit bestand darin, lange Kolonnen von Einnahmen der Abtei sauber zu kopieren. Er sah mich hilflos an und deutete auf mehrere Wörter. »Ich kann das nicht lesen«, flüsterte er mir zu, um die anderen Brüder nicht in ihrer Konzentration zu stören. Am liebsten hätte ich ihn an seinem Froccus gepackt und geschüttelt. »Drei Hufen Ackerland, verpachtet an Ulrich von Bernau«, las ich ihm mit gedämpfter Stimme vor. Remigius bemerkte meine Ungeduld. »Verzeiht, Bruder Waldo«, murmelte er demütig. Ich hatte alle Mühe, ihn nicht am Kragen zu packen. Ich nickte ihm so freundlich zu, wie ich es vermochte, und kehrte an mein Pult zurück. Hinter meinem Rücken tuschelten die Brüder.
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