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Waldos Lied (German Edition)

Waldos Lied (German Edition)

Titel: Waldos Lied (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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eine deutliche Warnung. Aber ich war und blieb schlecht gelaunt. Ich wollte an diesem Tag nicht verstehen. So verbeugte ich mich noch einmal, stumm und mit zusammengepressten Lippen. Das Gerede des Herzogs interessierte mich nicht. Ich wollte vielmehr wissen, wie es um die Sache meiner liebsten Herrin Adelheid stand. Doch ich wagte es nicht, ihn danach zu fragen.
    Meine mühsam bewahrte Haltung beeindruckte Rudolf nicht. Mit einem herzlichen Lachen legte er mir noch einmal seine Hand auf die Schulter. Ich musste mir große Mühe geben, sie nicht abzuschütteln.
    Rudolfs Stimme war merklich kühler, als er dann sagte: »Nun, ich sehe schon, Waldo, ich reiße dich offenbar aus wichtigen Geschäften. Lass sehen, worum es geht. Da ich selbst nicht lesen kann, werden wir diesen Brief am besten gleich mitnehmen. Abt Giselbertus lässt dich ins Gästehaus bitten. Dort gibt es einiges zu besprechen. Ich versprach ihm, diesen Botengang zu tun, denn ich war begierig zu sehen, wie du dich entwickelt hast, und zu sehen, wie es dir ergeht. Aber dies ist jetzt offenbar nicht der richtige Zeitpunkt dafür.«
    Ich hinderte den Herzog nicht, das Schreiben an sich zu nehmen. Es ging ohnehin keine Botschaft aus dem Kloster, ohne dass unser Vater Abt sie gelesen und genehmigt hätte. Rudolf kümmerte sich nicht weiter um mich und stapfte aus dem Raum. Ich bemühte mich, die verwunderten Blicke der anderen Brüder im Scriptorium nicht weiter zu beachten, und hinkte hinterher. Ich wurde das nagende Gefühl nicht los, dass ich gerade keine besonders rühmliche Rolle gespielt hatte.
    Im Gästehaus war sehr zu meinem Erstaunen eine reichhaltige Tafel gedeckt. In meiner Versunkenheit in den Schriftverkehr mit Abt Hugo von Cluny war es mir offenbar völlig entgangen, dass hoher Besuch angekommen war. Um die Tafel saßen etwa dreißig Männer, alle in voller Rüstung. Nur die Schwerter hatten sie in einer Ecke des Raumes abgelegt. Einer schien der reichen Kleidung nach ein Mächtiger des Reiches zu sein. Er saß als besonders geehrter Gast zur Rechten von Abt Giselbertus. Es war ein bullig wirkender Mann, dessen Schädel glänzte wie ein polierter Apfel. Seine kleinen listigen Augen musterten mich bei meinem Eintreten voller Neugier. Wieder lachte Rudolf. »Hier bringe ich Euch meinen begabten Zwerg, Otto. Ihr wolltet ihn doch so gerne einmal näher kennenlernen. «
    Der Angesprochene verzog seine schmalen Lippen zu einem schiefen Lächeln. Dann nickte er. »Jetzt, da ich ihn sehe, weiß ich auch, wen ihr meintet. War er nicht in Eurem Gefolge bei der Schwertleite Heinrichs und dann später bei dessen Heirat mit Bertha von Turin? Erst der Freund des Königs und dann sein Feind? «
    Rudolf nickte belustigt und zwinkerte mir zu.
    »Nun, dann haben dieser hinkende Mönchszwerg und ich ja wohl einiges gemeinsam«, stellte Herzog Otto trocken fest. Seine kleinen, tiefliegenden Augen unter den wulstigen Brauen zogen sich noch etwas mehr zusammen. Er wirkte jetzt bedrohlich. Ich tat, als hätte ich seine Beleidigung nicht gehört. Im selben Moment begriff ich: Das musste Otto von Northeim sein. Jener Mann aus dem Volk der Sachsen, den Kaiserin Agnes 1061 zum mächtigen Herzog von Baiern gemacht hatte, als sie das Reich noch im Namen ihres Sohnes regierte. Otto von Northeim war nun einer der einflussreichsten Fürsten im Reich, gleich nach dem König und dem Herzog von Schwaben. Er besaß allerdings schon von Hause aus und durch die Heirat mit Richenza von Schwaben im Gebiet der Flüsse Weser und Leine und auch im Harz reiche Güter. Und nun erkannte ich ihn auch wieder. Es war jener Mann gewesen, den ich bei König Heinrichs Schwertleite kurz gesehen hatte. Einer jener Männer, die den Kindkönig io6z zusammen mit den anderen Verschwörern entführt und damit dem Einfluss seiner Mutter entzogen hatten. Danach war er für einige Zeit auch einer von Heinrichs Beratern gewesen. Und nun hatte der König ihm alles unter einem durchsichtigen Vorwand genommen. Seine Macht, sein Herzogtum, seinen Reichtum. Es hieß, Heinrich habe Graf Egino von Falkenstein als Zeugen dafür gekauft, dass der Herzog von Baiern ihn habe ermorden wollen. Aber es wurden auch andere Namen genannt.
    Wieder einmal an diesem Tage verneigte ich mich vor einem anderen als dem Allmächtigen. »Es ist leicht und bedarf manchmal nur wenig, zum Feinde Heinrichs, unseres Königs, zu werden«, antwortete ich.
    Otto lachte schallend. »Nun, werter Herzog Rudolf, dieser zu kurz geratene Mönch

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