Waldos Lied (German Edition)
von Northeim war noch nicht mit mir fertig. »Bittet den Zwerg doch an unsere Seite, werter Herzog«, grölte er und biss in ein knuspriges Hühnerbein. »Wie ich höre, hat sein loses Mundwerk auch schon in erlauchterer Runde für Vergnügen gesorgt. Und ich kann derzeit wirklich jede Aufheiterung gebrauchen«, fügte er dann mit vollem Mund hinzu.
Wieder einmal schämte ich mich in Grund und Boden. Ein Mönch und Leiter eines Scriptoriums sollte für Besseres gelobt werden. Doch ich hatte keine Wahl. Der Gast hat immer recht. So setzte ich mich an die Seite des Herzogs von Northeim. Dieser versuchte mich den ganzen Abend lang auszuhorchen. Ich blieb zumeist stumm wie die säuberlich abgenagten Fischgräten auf der geplünderten Tafel, neigte nachdenklich den Kopf oder gab nur nichtssagende Antworten. Otto von Northeim schien dennoch einen Narren an mir gefressen zu haben. Hin und wieder schlug er sich vor Vergnügen auf die Schenkel, wenn er einen Satz aus mir herausgelockt hatte, den er für besonders geistreich hielt. Fast wäre ich geschmeichelt gewesen. »Da habt Ihr in Eurem Kloster ja einen wahren Schatz versteckt, Abt Giselbertus«, prustete er mit einem mal los. »Man muss ihm zwar die Worte wie Würmer aus der Nase ziehen, aber was er sagt, ist immer bedenkenswert.« Ich war sehr erleichtert, als er schließlich herzhaft gähnte und kurz darauf erklärte, er werde sich jetzt mit seinen Männern zur Ruhe begeben. Herzog Rudolf und seine Gefolgsleute schlossen sich ihm an.
Ich sehnte mich ebenfalls nach meiner ruhigen Zelle. Doch Abt Giselbertus nahm mich beiseite. »Nun, was höre ich da, der Leiter des sanblasianischen Scriptoriums hat das Zweite Gesicht? «
Ich schrak zusammen. Jetzt kam die Stunde der Wahrheit. Dann sah ich jedoch voll Erleichterung das Schmunzeln in seinem Gesicht.
»Das waren nichts als die Sünden eines dummen Jungen, der zu viel Zeit hatte und sich dabei seiner Dummheit noch nicht einmal bewusst war«, erwiderte ich leichthin.
Giselbertus nickte. In seinen Augen lag freundschaftlicher Spott, aber auch eine Warnung. »Ich dachte mir schon, dass es sich so verhält, als ich vor einigen Monaten davon erfahren habe. Oft ist es auch besser, nicht zu genau in die Zukunft sehen zu können.«
»Und wohl auch besser, manche Gäste nicht bemerkt zu haben«, ergänzte ich.
Giselbertus wirkte erleichtert. »Viel besser. Vor allem, wenn sich dieser Besuch auch nicht in den Annalen des Klosters wiederfindet, die Ihr zu meiner Freude so eifrig führt.«
Ich senkte zustimmend den Kopf. »Wie kommt es, dass jene, die niemals hier waren und von denen ich nichts weiß, doch Herberge in diesem Kloster fanden?«
»Nun, unser Herr Rudolf fand es richtig. Er denkt außerdem, das Kloster habe etwas an ihm gutzumachen. Zum Beispiel in einer gewissen Angelegenheit, die seine Gemahlin Adelheid und Ereignisse betrifft, die sich hier zugetragen haben. Da konnte ich mich wohl kaum weigern, diese Herren im Kloster aufzunehmen. Oder was meinst du, Bruder?
Ach ja, es geschieht eben manches, was eigentlich nicht geschehen ist, nicht wahr? «
Endlich waren wir bei dem Thema, das mich am brennendsten interessierte. »Was ist mit unserer gnädigen Herrin, der hohen Frau Adelheid von Rheinfelden? Habt Ihr von Herzog Rudolf etwas erfahren können?«
Giselbertus lachte selten aus vollem Halse, aber dieses Mal konnte er sich nicht zurückhalten. »Waldo, Waldo, hat Abt Hugo von Cluny dich in seinen Briefen nicht gelehrt, dass es für einen Mönch Wichtigeres gibt als die Angelegenheiten von Frauen? «
Ich ließ mich nicht von meiner Frage abbringen. »Er hat mich auch gelehrt, dass es nichts Wichtigeres gibt als das Streben nach Gerechtigkeit und Wahrheit«, beharrte ich stur.
Noch einmal musste Giselbertus lachen. »Das ist — zu Teilen — wohl richtig. Nun, der Herzog teilte mir mit, dass Papst Alexander seine Gemahlin in allen Dingen für unschuldig befunden hat. Ebenso Graf Werner.«
»Sie kommt also zurück?«
»Ja, sie kommt zurück. Und mehr noch. Du bist dazu bestimmt, nach Fruttuaria zu reisen, um sie sicher in ihre Heimat zu geleiten. Zusammen mit unseren Mitbrüdern Udo und Rusten. Doch mehr davon morgen. Denn es geht auch hierbei um Größeres als um die Sicherheit einer Frau. Ach, bevor ich es vergesse, das ist der Brief, den du gerade an Abt Hugo von Cluny angefangen hast zu schreiben. Herzog Rudolf gab ihn mir. Die Wendung mit dem Haus gefiel ihm sehr, als ich sie ihm vorlas. «
»Er war
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