Waldos Lied (German Edition)
Udo und Rusten gehen. Agnes, die Mutter König Heinrichs, hat für diese Fahrt einen großzügigen Betrag Goldes zur Verfügung gestellt. Ihr werdet also in aller Bequemlichkeit und unter dem Schutz einer Eskorte ins Piemont reisen können. Und auch ich will mein Scherflein dazu beitragen. Die Zukunft des Klosters ist durch die Schenkung gesichert, von der ich dir bereits berichtete. Viele Adlige dieser Gegend beteiligen sich daran.«
»Ich danke Euch, Herr«, erwiderte ich einfach.
Rudolf legte mir die Hand auf die Schulter. »Aber auch ich habe etwas davon. Ich werde einst zusammen mit meiner Familie hier in St. Blasien begraben sein. An einem guten Ort. Einem wahrhaften Ort des Herrn.« Danach erhob er sich, grüßte und ging. Ich blieb mit meinen Gedanken allein.
Schon vor Morgengrauen brachen Otto von Northeim und seine Männer am nächsten Tag auf. Er wollte nach Sachsen. Und ich schrieb wenige Stunden später für alle Zeiten nieder, was Rudolf und die anderen Fürsten und Edlen dem Kloster zu übereignen gedachten. Er hatte nicht zuviel versprochen. Die Schenkung war sogar durch eine königliche Bestätigung verbürgt. Agnes von Burgund hatte sie mit Hilfe von Königin Bertha von ihrem Sohn erwirkt. Bertha stand inzwischen etwas höher in seiner Gunst. Sie hatte ihr erstes Kind geboren, eine Tochter namens Adelheid. Und nun war die Königin zur Freude ihres Gemahls bereits zum zweiten Mal schwanger. Er hoffte sehnlichst auf einen Erben und war deshalb eher bereit, ihr einmal einen Wunsch zu erfüllen. Allerdings stand es darüber hinaus zwischen den Eheleuten nicht zum besten, wie man hörte. Heinrich pflegte noch immer den schändlichen Umgang mit seinen Kebsweibern.
Rudolf und einige andere Edle vermachten St. Blasien viel ertragreichen Grundbesitz in Eggingen, unweit des Klosters.
Der Abtei kam dies sehr zupass. Es war noch nicht lange her, dass uns die große Unfruchtbarkeit der Weingärten und aller Waldbäume im Lande große Sorgen bereitet hatte.
Drei Tage später reiste ich zusammen mit meinen Mitbrüdern Udo und Rusten sowie einer stattlichen Eskorte von zwölf bis an die Zähne bewaffneten Männern nach Fruttuaria. Rudolf hatte mir dafür sogar die kleine Stute Praxeldis mitgebracht, die er mir einst geschenkt hatte. Es mag seltsam klingen, aber diese Geste berührte mich tief. Fast noch mehr als alles andere, das zwischen uns vorgefallen war.
Ich bringe in Ordnung, was ihr frommen Verdiensten
zuwider ertrugt,
niemand erbittet von mir vergeblich,
was eines Beschützers würdig.
Carmen de bello Saxonico
I ch weiß noch, wie ärgerlich ich war. Wir kamen einfach nicht voran. Udo, Rusten und ich sowie der Führer unserer Eskorte hatten Pferde. Doch der Rest unserer Beschützer war zu Fuß unterwegs. Sie konnten mit den Pferden nicht mithalten. Dabei fieberte ich von ganzem Herzen dem Kloster im Piemont entgegen. Das lag nicht nur an den bedeutenden Schriftstücken, die ich von dort nach St. Blasien bringen würde. Es lag vornehmlich auch daran, dass ich so schnell wie möglich jene Frau wiedersehen wollte, die ich von ganzem Herzen verehrte. Das Wort Liebe hatte ich mir längst verboten.
Udo, ein rundlicher Mann, behäbig, aber mit einem feinen Gespür für die Gefühle anderer und einem wendigen Geist, versuchte daher ständig, mich abzulenken. Er wies mich immer wieder auf die Schönheiten der Gegend hin, durch die wir reisten. Doch ich hatte keinen Blick dafür. Mit Rusten hatte ich weniger zu tun. Er sprach nicht viel, dafür sah er eine Menge. Später, als wir uns über diese Reise unterhielten, berichtete er von so mancher Begebenheit, die ich nur am Rande wahrgenommen hatte. Mein Weg nach Fruttuaria blieb mir immer nur in Erinnerung als ein einziges, schmerzhaftes Sehnen, begleitet von diffusen Bildern und Empfindungen. Nur eine Szene, wenige Sekunden lang, blieb mir klar in Erinnerung. In dieser Zeit hätte ich fast mein Leben verloren.
Wir waren nur noch zwei Tagesmärsche von Fruttuaria entfernt. Es war eine kalte, feuchte Nacht. Den ganzen Tag über hatte es genieselt. Unsere Gewänder waren klamm.
Selbst das Feuer konnte unsere Glieder nicht mehr erwärmen. Wir waren erschöpft. Meine Gefährten hatten sich bereits so gut es ging auf das Gras am Rande des Weges gelagert und waren eingeschlafen, bis auf die beiden Wachen. Sie saßen an Bäume gelehnt, die Schwerter griffbereit neben sich, und nickten vor sich hin. Die schwächer werdende Glut unseres
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