Waldos Lied (German Edition)
bis aufs Blut hasst.«
»Wer? « brachte ich mühsam heraus.
Renaldos Gesicht wurde ernst. »Die beiden Männer, die Euch angegriffen haben, werden es nicht mehr sagen können. Eure Eskorte hat sie erschlagen.« Er zögerte einen Moment. »Doch es gibt einen Hinweis.«
Ich blickte ihn fragend an. Aber er schüttelte den Kopf. Für einen kurzen Moment glaubte ich, Furcht in seinem Gesicht zu sehen. Doch dann war dieser Ausdruck wieder verschwunden. »Ich bin nicht befugt, darüber zu sprechen. Vielleicht wird es Euch die Herzogin erzählen. Nun trinkt das, es nimmt die Schmerzen, und Ihr werdet gut schlafen. Unser Bruder Schlaf ist der beste Heiler. « Ich war noch nicht stark genug, um mich zu widersetzen. Schluck für Schluck trank ich gehorsam das bittere Gebräu, das Bruder Renaldo mir einflößte. Es brannte höllisch in der Kehle. Und dann dämmerte ich erneut in ein anderes Land hinüber.
Eine Woche später wurde ich zur Herzogin gebracht. Zwei Brüder stützten mich auf meinem schmerzhaften Weg. Sie hatte mich seit meinem ersten Erwachen nicht mehr besucht. Später begriff ich auch, warum. Es war nicht üblich, dass sich Frauen bei den Mönchen aufhielten, und seien sie auch noch so hoch gestellte Gäste.
Adelheid von Rheinfelden empfing mich voller Freude. Ich fand sie in einem behaglich eingerichteten Raum mit Wandteppichen. Die warme Sonne des Piemont hatte der milchigen Haut ihres Gesichtes wohl einen Hauch von Farbe verliehen. Ich wagte jedenfalls nicht daran zu glauben, dass es die Freude über mein Erscheinen sein könnte. Die Ereignisse an meinem Krankenbett, die Träne, die auf mein Gesicht getropft war, erschienen mir noch immer so unwirklich wie ein Traum.
Als ich in ihr Zimmer kam, erhob sie sich und streckte mir beide Hände zur Begrüßung entgegen. »Waldo, mein Freund, es tut so gut, dich wiederzusehen. Hier ist ein Schemel, komm, setz dich zu mir. Du mußt immer noch große Schmerzen haben.« Doch ich spürte sie nicht mehr. Ich sah nur sie.
Auch ihre Tochter Adelheid strahlte über ihr ganzes Gesicht. Dieses Mal lief sie mir jedoch nicht mehr entgegen. Sie hatte dazugelernt und war schon ein ganzes Stück weiter auf dem Wege vom Kind zur Frau vorangeschritten.
Die traurigen Ereignisse der Vergangenheit hatten der Schönheit der Herzogin keinen Abbruch tun können, sondern sie im Gegenteil noch reifer und eindrucksvoller werden lassen. Das Lächeln, mit dem sie mich begrüßte, war ebenso warm wie an jenem Tag, an dem ich ihr zum ersten Mal begegnete. Wieder bedurfte es nur dieses Lächelns, und das Herz des Mannes flog ihr zu wie damals das des Jünglings. In diesem Moment hätte ich mein Leben dafür gegeben, einen geraden und schönen Körper zu haben. Doch selbst dann bliebe noch mein kantiges Gesicht mit der knollenartigen Nase, dem dunklen Bart und den tiefliegenden Augen unter den struppigen Augenbrauen. Nein, ich würde niemals dem schönen Gott Apoll gleichen, sondern eher dem klumpfüßigen Pan.
Ich versuchte eine kleine, unbeholfene Verneigung, ehe ich mich mit Hilfe der beiden Brüder auf den Schemel sinken ließ. Wieder schossen die Schmerzen durch mich hindurch, und ich zuckte zusammen. Sofort wurde ihr Gesicht wieder besorgt. »Geht es? Tut es sehr weh?«
Ich schüttelte nur den Kopf. Denn ich brauchte eine Weile, bis ich sprechen konnte. Und sie musste gespürt haben, wie tief das Glück dieser Begegnung mich erfasst hatte. Denn sie errötete leicht. Dann beschied sie die beiden Brüder, die mich hergebracht hatten, mit einer Handbewegung, den Raum zu verlassen.
Als die beiden gegangen waren, beugte sie sich vor und legte die Hand auf meinen Arm. »Du hast dir einen mächtigen Feind gemacht, mein Freund«, sagte sie dann.
Ich schaute sie erstaunt an. »Ihr wisst, wer es ist? «
»Ich bin mir nicht ganz sicher«, erwiderte sie. Doch einer der Männer eurer Eskorte glaubt, dass er jemanden wiedererkannt hat.« Sie machte eine Pause. »Ich weiß nicht, ob ich das sagen darf. Der Verdacht ist zu schrecklich, ungeheuerlich. «
»Bitte sprecht«, drängte ich sie. »Wie soll ich sonst wissen, gegen wen ich mich schützen muss.«
»Es ist schwer, sich gegen diesen Feind zu schützen«, erwiderte sie leise. »Einer eurer Angreifer gehört zu den Männern des Königs.«
So hatten mich die Folgen des Gespräches vor Heinrichs Vermählung mit Bertha von Turin doch eingeholt. Es erstaunte mich, dass ich darüber nicht sonderlich überrascht war. Und sie hatte recht, es
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