Waldos Lied (German Edition)
Lagerfeuers warf hin und wieder einen flackernden Schein auf ihre Gesichter, wenn eine Windbö in die glühenden Reste fuhr. Die anderen schliefen fest. Neben mir hörte ich das leise Schnarchen Udos. Nur ich wälzte mich ruhelos auf meinem Lager hin und her und bereitete mich trotz meiner tiefen Erschöpfung auf eine weitere schlaflose Nacht vor. Ich war müde bis ins Mark. Doch die Ungeduld hielt mich wieder einmal wach.
Plötzlich hörte ich ein leises Geräusch im Unterholz des kleinen Waldstücks, vor dem wir lagerten. Es war nur ein kurzes Knacken. Ich schaute zu den Wachen. Sie rührten sich nicht. Wahrscheinlich nur ein kleines Tier sagte ich mir und drehte mich zum hundertsten Mal auf die andere Seite. Wieder hörte ich ein Knacken. Und dann Schritte. Noch im Umdrehen schrie ich lauthals: »Achtung, Überfall«. Dann spürte ich einen scharfen, reißenden Schmerz. Das ist das letzte, an das ich mich erinnere.
Ich erwachte in einem kleinen, karg eingerichteten Raum. Verwirrt versuchte ich, mich aufzusetzen. Da schossen entsetzliche Schmerzen durch meinen Leib. Meine Gliedmaßen gehorchten mir nicht. Als ich mühsam den Kopf hob, sah ich, dass mein ganzer Körper mit Verbänden umwickelt war. Ich musste wohl ein Stöhnen von mir gegeben haben, denn plötzlich erschien das Gesicht einer jungen Frau in meinem Blickfeld. Als sie sah, dass meine Augen geöffnet waren, verschwand sie sofort. »Herrin, Herrin, er ist erwacht«, hörte ich sie rufen. Dann das Öffnen einer Tür. Ich versuchte, meinen Kopf zu drehen. Doch erneut schoss der Schmerz wie ein Messerstich durch meine Glieder.
»Waldo, mein Freund, wie schön, dich wieder unter den Lebenden zu sehen.« Als ich die Stimme der Herzogin hörte, das Glück, das darin mitschwang, da glaubte ich für einen kurzen Moment, im Paradies zu sein. Ich versuchte, mich dieser Stimme zuzuwenden. Der erneute Schmerz, der mich wie eine Welle überrollte, überzeugte mich, dass ich durchaus noch unter den Lebenden war. Da beugte sie sich über mich. »Du musst dich ausruhen, Waldo von St. Blasien. Bewege dich nicht. Du hast einen üblen Schlag auf den Kopf bekommen und wohl auch einige gebrochene Rippen und mehrere Brüche an den Beinen davongetragen. Die heilkundigen Mönche von Fruttuaria haben dich festgebunden, damit deine Knochen heilen können. Bei uns bist du in Sicherheit.«
Ich wollte etwas sagen, doch die Verbände um meinen Kopf hinderten mich am Sprechen. Ich merkte erst jetzt, dass nur meine Nase und meine Augen ausgespart waren. Ich brachte nur ein weiteres Stöhnen zustande. Da strich die Herzogin mir sanft über die Augen, eine Geste, die mich tief berührte. Sie wischte all meine Schmerzen fort. Eine Träne tropfte auf mein Gesicht, Adelheid, die mächtige Herzogin von Schwaben, weinte um mich. Um einen Mann, der ein Nichts war.
Noch einmal berührte sie zart mein Gesicht. »Als sie dich nach Fruttuaria brachten, dachte ich schon, wir hätten dich verloren. Seit einer Woche bist du ohne Bewusstsein. Ich danke dem Herrn, dass er dich noch ein wenig bei uns lässt. Ich werde nun Bruder Renaldo holen. Er ist der Mönch, der dich gepflegt und verbunden hat.«
Ich hätte ihr so gerne gesagt, wie glücklich ich sei, sie wiederzusehen. Doch meine Gedanken ließen sich nicht länger festhalten, sie entglitten mir. Erschöpft schloss ich die Augen. Ich spürte nicht mehr, dass Bruder Renaldo meine Verbände wechselte. Ich schlief tief und fest, der Heilung entgegen.
Als ich vierundzwanzig Stunden später die Augen aufschlug, war ich davon überzeugt, dass dies alles nur ein Traum gewesen sein konnte. Doch Bruder Renaldo belehrte mich eines Besseren. Er saß an meinem Lager, als ich erwachte. Er hatte freundliche blaue Augen, mit denen er mich aufmerksam musterte. »Nun, es sieht so aus, als hättet Ihr das Schlimmste überstanden, Bruder. Der Kopfverband ist abgenommen, doch sicherlich werdet Ihr noch einige Schmerzen haben. Besonders an den Beinen. Die Angreifer haben Euch mit ihren Knüppeln übel zugerichtet. Doch wenn ich es recht bedenke, dann haben sie Euch damit vielleicht sogar einen Gefallen getan. Durch die Brüche bekam ich die Gelegenheit, Eure Beine etwas gerader zu richten. Sie müssen schon einmal gebrochen gewesen sein. Ihr werdet nicht viel größer dadurch sein, aber etwas weniger hinken, wenn Ihr wieder laufen könnt. Allerdings solltet Ihr Euch bald überlegen, welchen Feind Ihr Euch gemacht haben könntet. Es muss jemanden geben, der Euch
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