Waldos Lied (German Edition)
ein Wort machte er sich auf den Weg. Wir folgten ihm und waren bemüht, kein Geräusch zu verursachen. Die anderen vermuteten es nur, ich aber wusste, dass Sachsen in diesem Teil des Waldes lagerten.
Es wurde ein unheimlicher Marsch. Ich war noch nie nachts in einem solch undurchdringlichen Wald unterwegs gewesen. Die Stimmen waren andere als jene, die ich vom Tage her kannte. Jede Wurzel verwandelte sich in einen Troll, jeder große Baum in ein Ungeheuer. Immer wieder sah sich einer der Gefährten ängstlich um, als fürchte er, es könne jeden Moment ein Sachse mit seinem Schwert aus dem Unterholz auf ihn zustürmen und ihm die Waffe an die Kehle setzen. Keiner von uns hatte mehr dabei, als er auf dem Leib trug. Noch nicht einmal Verpflegung hatten wir mitgenommen. Auch meine geliebte Stute Praxeldis war auf der Harzburg geblieben.
So folgten wir also Udalrich, der sich kein einziges Mal nach uns umwandte, um zu sehen, ob wir ihm auch folgen konnten. Wir marschierten noch die restliche Nacht und den ganzen nächsten Tag auf einem Pfad, der kaum einem Schaf ausreichend Platz geboten hätte und der immer wieder im Dickicht oder vor einem umgestürzten Baum zu enden schien. Der August war brütend heiß. Und obwohl es im Schatten der Bäume wesentlich kühler war als in der prallen Sonne, lief mir der Schweiß bald in Strömen den Rücken hinunter. Heinrich hielt sich zu unser aller Überraschung wacker. Nur der Zähringer fluchte hin und wieder, denn seine Beine hatten ein nicht unbeträchtliches Gewicht zu tragen. Hin und wieder fanden wir in der Höhlung eines Baumstammes Wasser. Manchmal kamen wir auch an ein kleines Rinnsal, das sich zwischen den Bäumen hindurch schlängelte.
Doch am nächsten Abend waren wir völlig erschöpft und legten eine Rast ein. Allerdings war auch da nicht an viel Schlaf zu denken, denn einer von uns musste immer Wache halten. Die Gefahr eines Überfalls war zu groß, obwohl wir außer Udalrich noch immer keinen anderen Sachsen zu Gesicht bekommen hatten.
Entkräftet und ausgehungert erreichten wir am vierten Tag unseres Marsches durch die Wälder schließlich Eschwege, das in Ostfranken liegt. Als wir die Hütten des Dorfes sahen, blieb Udalrich stehen und deutete durch eine Geste an, dass er nicht weiter mitkommen würde. König Heinrich holte einige Münzen Goldes aus seinem Gewand und gab sie dem Sachsen. Für den Jäger war das ein Vermögen. Doch er warf dem König das Gold vor die Füße. Dann lächelte er mir zu. »Gehabt Euch wohl, Waldo von St. Blasien.« Nach diesen Worten drehte er sich um und verschwand wieder in den unendlichen Wäldern.
Nachdem wir uns wieder erholt hatten, zog der König nach Hersfeld. Ich aber verabschiedete mich von ihm und machte mich auf den Weg zu Rudolf von Rheinfelden nach Mainz.
»So verdanke ich dir also mein Leben«, meinte der König zum Abschied zu mir. »Sag, was willst du dafür?«
»Nichts«, antwortete ich ihm. »Das Leben eines Königs ist nicht zu bezahlen. « Da lachte er und sah mich zum ersten Mal so an. So, wie ein Mann einen anderen ansieht, den er achtet. »Dann gehab dich wohl, Waldo von St. Blasien«, sagte er und benutzte die gleichen Worte wie Udalrich, der Sachse.
Sicherlich waren dies Vorzeichen eines größeren
Schmerzes für dich,
die du dir hättest merken können, falls du gesunden Sinnes wärst.
Carmen de bello Saxonico
H erzog Rudolf hatte mir Kuno von Genf entgegengeschickt, der mich sofort zu ihm führen sollte. Ich traf auf Kuno, kurz bevor wir das Lager erreichten. »Nun, da habt Ihr ja einiges erreicht, fast könnte man Euch beneiden«, begrüßte er mich fröhlich. »Aber das beweist nur, dass Worte ebenso mächtige Waffen sind wie Schwerter. Doch beeilt Euch, Rudolf von Schwaben wartet schon ungeduldig auf Euren Bericht, denn bisher erreichten uns nichts als Gerüchte.« Mit diesen Worten gab er seinem Ross die Sporen. Ich hatte keine andere Wahl, als es ihm gleich zu tun, obwohl sich jede Faser meines Körpers nach Ruhe sehnte.
Der Herzog hatte es vorgezogen, sich zusammen mit seinen Leuten vor den Mauern der Stadt Mainz auf dem freien Feld einzurichten. Soweit das Auge reichte, brannten die Lagerfeuer. Als ich mein Pferd zum Zelt des Herzogs lenkte, riefen mir viele der Männer Rudolfs einen herzlichen Willkommensgruß zu, obwohl ich die meisten nicht kannte. Nur einige hatte ich bereits unter den Hintersassen des Klosters St. Blasien während der Gottesdienste in der Kirche
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