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Waldos Lied (German Edition)

Waldos Lied (German Edition)

Titel: Waldos Lied (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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und gefährlich erschienen war. Ich war ein Mann ohne jede Waffe und fürchtete mich sehr vor den Bären und Wölfen, die dort hausten. Glücklicherweise begegnete ich ihnen nicht, ebenso wenig wie Geschöpfen, die einem die Phantasie der Angst vorgaukelt. Manchmal bekam ich zwar ein Tier zu sehen, doch immer nur für einen kurzen Moment. Dann war es wieder im Unterholz verschwunden. Ich hörte das Hämmern der Spechte, wie der Wind durch die Wipfel der Bäume strich, und einmal sah ich sogar eine Wolfsmutter mit ihren Jungen. Umgefallene Bäume, von Moos überwachsen, die bereits Farnen oder allerlei anderen Waldpflanzen, Würmern und Insekten als Heimat dienten, hinderten mich oft am Weitergehen.
    Gefährlich wurde es für mich in diesen Sommerwochen im Wald nur ein einziges Mal, als ich eine Bache mit ihren Frischlingen aufstörte. Sie stürmte aus dem Unterholz auf mich los. Es gibt Zeiten, in denen wächst man über sich selbst hinaus. Ich wusste bis dahin nicht, dass ich so schnell auf Bäume klettern kann. Nach vielem wütendem Schnauben beruhigte sich die Wildsau schließlich und zog mit ihren Kindern weiter.
    Es gab überraschenderweise auch einige Lichtungen und Wasserstellen in diesem Wald. Und in einer dieser Lichtungen fand ich einen ähnlichen Felsen wie den in St. Blasien. Da überfiel mich die Sehnsucht nach Sophia ebenso unvermutet wie jene Bache, die mich plötzlich angegriffen hatte. Doch es gab keinen Baum, auf den ich davor hätte flüchten können, und so setzte ich mich still und hilflos an den Fuß dieses Felsens.
    »Seid Ihr ein Troll des Waldes oder ein Mensch?« Als ich den Kopf hob, sah ich einen Mann vor mir stehen, der mich misstrauisch musterte, die Hand in der Nähe des Messers, das er am Gürtel trug.
    »Wenn ich ein Troll wäre, dann würde Euer Messer Euch auch nichts nutzen. Dann wärt Ihr jetzt schon verzaubert. Vielleicht in eine Schlange, die durch das Unterholz kriecht«, antwortete ich forsch, obwohl mir etwas mulmig zumute war.
    »Könntet Ihr mich nicht vielleicht stattdessen in einen Adler oder einen Bussard verwandeln, so dass ich über die Wipfel dieser Wälder fliegen könnte und den Himmel sehen? « ging er auf meinen Scherz ein.
    »Ich fürchte, daraus wird nichts«, erwiderte ich mit einem Lachen.
    »Das fürchte ich auch«, bekräftigte mein Besucher. »Denn Ihr seid wohl doch ein Mensch, wenn auch ein außergewöhnlicher Zeitgenosse, wie mir scheint. Ich sehe, Ihr habt keine Waffe bei Euch. Fürchtet Ihr Euch denn nicht vor diesem Wald und seinen Bewohnern? Die meisten Menschen tun das.«
    »Doch, manchmal schon«, gestand ich und erzählte ihm von meinem Erlebnis mit der Wildsau. Er lachte so sehr, dass ihm die Tränen über die Wangen liefen.
    So kamen wir ins Gespräch und schlossen bald Freundschaft, der Jäger Udalrich und ich.
    »Wann und wo wollen wir uns wiedersehen? « fragte ich ihn, als wir uns trennten. Denn es gab vieles, was ich von diesem Mann lernen konnte.
    »Kommt nur in den Wald, ich finde Euch schon«, beschied er mich.
    Er fand mich wirklich jedesmal, und mit der Zeit erfuhr ich erstaunliche Dinge über Pflanzen und Tiere. Er war ein guter Beobachter.
    »Wie macht Ihr das nur?« wollte ich bei einem unserer Treffen von ihm wissen.
    »Nun, Ihr macht einen Lärm wie hundert wütende Bachen«, spottete er.
    »Und ich dachte, ich bewege mich so lautlos wie eine Schlange«, entgegnete ich.
    »Nun seid nicht beleidigt. Es ist leicht, einen Menschen herauszuhören, wenn man die Geräusche des Waldes kennt«, tröstete er mich.
    Einmal nahm er mich sogar mit in die Hütte, in der er mit seiner Familie lebte. Ich wurde von seiner Frau und den vier Kindern mit großer Herzlichkeit aufgenommen. Sie bekamen nicht oft einen Fremden zu Gesicht. Der Wald ernährte sie, gab ihnen alles, was sie brauchten. Sie hatten keinen Grund, ihn zu verlassen. Und wenn es einmal doch nötig war, dann übernahm Udalrich diesen Weg. »Es ist für ein Weib in Sachsen zu gefährlich, sich in diesen Tagen zu zeigen«, bemerkte er nur dazu.
    Ich fragte ihn nie, ob er in die Kirche gehe. Ich glaube fast,. er hing noch dem alten Glauben seiner Vorväter an. Doch verhielt er sich verständnisvoller gegen seine Mitmenschen als mancher Christ. Jedesmal, wenn es für mich Zeit wurde, zur Burg zurückzukehren, begleitete er mich ein Stück, damit ich unbeschadet zurückfand. Denn es lagerten inzwischen so viele sächsische Krieger in den Wäldern, dass bald eine Maus nicht einmal ein

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