Waldos Lied (German Edition)
kenne einen Führer, der uns von hier fort und durch die Wälder bringen kann, fügte ich im stillen hinzu und dankte Gott für die Begegnung mit Udalrich. Allerdings war ich durchaus nicht davon überzeugt, dass er dem König diesen Dienst erweisen würde. Schließlich war auch er ein Sachse. Und aus seiner Bemerkung über die Gefährdung von Frauen ließ sich nur unschwer schließen, dass er nicht allzuviel von Heinrich und seinen Leuten hielt. Allerdings hatte er bisher aufgrund der Abgeschiedenheit, in der er mit seiner Familie lebte, noch nicht unter den Übergriffen zu leiden gehabt.
Die Männer des Königs starrten mich ungläubig an.
»Es gibt keinen Weg durch den Ring der Belagerer. Wir haben doch schon alles untersucht«, widersprach endlich der Oberste von Heinrichs Männern.
»Ich sagte, vielleicht«, antwortete ich ihm.
Heinrich brachte ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung zum Schweigen. »Nun sprich endlich. Wie kommen wir fort von hier? Oder willst du nur groß tun, Mönch, um dein erbärmliches Leben zu retten? Das würde dir schlecht bekommen. «
Wieder verbeugte ich mich. Ich würde mich auf jeden Fall hüten, etwas von Udalrich zu erzählen und damit meine letzte Trumpfkarte aus der Hand zu geben. »Ich muss erst einige Vorbereitungen treffen, mein Herr und König, bevor ich darüber sprechen kann. Ihr müsst mir in dieser Sache schon vertrauen«, antwortete ich deshalb ausweichend.
»So soll ich also dem Spion des Herzogs von Schwaben mein Leben anvertrauen, ohne viel zu fragen? Und wenn du nun versuchst zu fliehen? Du verlangst mehr, als dir zusteht, Waldo von St. Blasien. Sag, habe ich eine andere Wahl? «
»Nein, mein König. Die habt Ihr nicht. Ich gebe Euch mein Ehrenwort, dass ich nicht versuchen werde zu fliehen. Ihr vertraut Euer Leben auch nicht dem Spion Rudolfs von Rheinfelden an, sondern dem Mönch und Mann Waldo von St. Blasien.«
Heinrich nickte. »Es ist schon seltsam, dass ich dich immer in schweren Zeiten treffe. So sei es also. Wann wirst du uns Bericht erstatten?«
»In zwei Tagen, mein König.« Eines musste ich aber noch wissen. »Wie schnell könnt Ihr aufbrechen? Es könnte sein, dass dies in aller Eile geschehen muss.«
Darauf sagte Heinrich nur ein Wort: »Sofort.« Damit entließ er mich.
Ich traf Udalrich erst am übernächsten Tag. So wie immer, im Wald. Da berichtete ich ihm von den Plänen des Königs. Er schaute mich finster an. »Heinrich schert mich einen Dreck. Am besten, sie hacken ihn in Stücke. Ist Euer Leben in Gefahr, wenn ich ihm nicht helfe?«
»Das ist es, mein Freund. Eines ist sicher, wenn ich dem König keinen Ausweg aus seinem Käfig zeige, wird er nichts Eiligeres zu tun haben, als mich einen Kopf kürzer zu machen«, erwiderte ich und schilderte ihm meine Lage.
Udalrich überlegte eine Weile. »Gut, dann will ich Euch alle von hier fortbringen. Aber ich tue es nicht für den König, den der Leibhaftige holen möge. Ich tue es für Euch. Seid morgen gegen Mitternacht an der Stelle, an der wir uns zum ersten Mal trafen. Und seid vorsichtig. In diesen Wäldern gibt es noch andere Sachsen außer mir. Mehr, als ihr ahnt. «
»Ich habe außer Euch bislang noch keinen anderen gesehen.«
»Das ist kein Wunder. Denn keiner der Unsrigen würde dem Wahrsager Herzog Rudolfs etwas antun.«
Ich überhörte das Wort Wahrsager geflissentlich. »So ist das also. Die Sachsen wussten, dass ich da war.«
Udalrich nickte. »Ich wurde geschickt, um Euch vor Schaden zu bewahren, und gewann Achtung vor Euch in diesen Tagen. Ihr seid ein guter Mensch. Nur deshalb helfe ich Euch. Auch wenn es gegen mein eigenes Volk geht. Doch wer weiß. Vielleicht, wenn der Herzog von Schwaben einmal unser König ist und Ihr sein Berater, dann erinnert Ihr Euch an Udalrich, den Sachsen.«
Das versprach ich ihm. Ich konnte dieses Versprechen nicht halten. Er wurde in der Schlacht an der Unstrut zwei Jahre später von einem der Männer des Königs erschlagen. Aber ich greife den Ereignissen schon wieder vor.
Wir trafen uns am nächsten Abend mit dem Sachsen Udalrich. Ich werde das Datum nie vergessen. Es war der 9. August im Jahr des Herrn 1073. Udalrich tauchte wie ein Schatten zwischen den Bäumen auf. Er grüßte den König nicht. Nur mir ließ er ein kurzes Kopfnicken und ein Lächeln zukommen. Es war, als wolle er allen zeigen, für wen er dies tat. Alle, das waren der König, sein Kaplan Siegfried, Berthold von Zähringen und Waldo, der schwarze Mönch. Ohne
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