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Waldos Lied (German Edition)

Waldos Lied (German Edition)

Titel: Waldos Lied (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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bereit sei, der neue König des Reiches zu werden. Die Argumente, mit denen ihm die Herzöge, die Grafen oder die Kleriker zurieten, ähnelten sich: Er sei nicht nur der mächtigste und angesehenste unter den Fürsten, sondern auch der Gemahl der frühverstorbenen Schwester Heinrichs gewesen und damit auch ein legitimer Anwärter auf den Thron. Außerdem hatte Heinrich keinen männlichen Erben vorzuweisen, nur seine kleine Tochter Adelheid.
    Rudolf hielt die Fürsten alle hin mit seiner Antwort: Er habe geschworen, in dieses Ansinnen niemals einzuwilligen. Es sei denn, alle anderen Fürsten beschlössen einmütig auf einer Versammlung, dass er dies ohne den Vorwurf des Eidbruchs und ohne Beschädigung seines Rufes tun könne. Zur gleichen Zeit brodelten die Gerüchte über den Stand der Unterhandlungen mit den Sachsen. Einmal hieß es, jede Seite müsse zwölf Bürgen stellen, und dann werde man zu gemeinsamen Verhandlungen zusammenkommen. Dann wieder besagten sie, der König halte Bürgen für unter seiner Würde. Sicher war am Ende nur eines: Am 2o. Oktober sollten sich alle Fürsten, auch die der Sachsen, in Gerstungen an der Werra, einem Dorf im Grenzgebiet von Thüringen und Hessen, zu Beratungen einfinden. Bis dahin arbeitete die Zeit für den Herzog von Schwaben.
     
    Die sächsischen Fürsten kamen mit einem Heer von vierzehntausend Mann nach Gerstungen. Nur der König kam nicht. Er reiste mit seinem Gefolge nach Würzburg. Heinrich hatte die Erzbischöfe von Mainz und Köln, die Bischöfe von Metz und Bamberg, Herzog Gottfried von Niederlothringen, den Gemahl seiner Kusine Mathilde von Canossa-Tuszien, sowie Berthold von Zähringen zu seinen Vertretern bestimmt. Und zu unser aller Überraschung gehörte auch Rudolf von Rheinfelden zu den Unterhändlern.
    Es war eine merkwürdige Versammlung, die im Blitz und Donner und dem peitschenden Regen eines Herbstgewitters vonstatten ging. Sie endete am vierten Tag mit einem Aufstand der Fürsten, dem Ruf nach einem neuen König. Was Rudolf nur recht war.
    Dabei hörte und sah man während dieser Tage noch nicht einmal viel von ihm. Doch am Abend und in den Verhandlungspausen suchte ihn einer nach dem anderen in seinem prächtigen Zelt auf. Er empfing sie, als sei er schon Herrscher des Reiches. Er mahnte jeden Besucher zu Besonnenheit. Dann schürte er mit einigen leicht dahingeworfenen Worten erneut das Feuer der Unzufriedenheit. Wieder einmal war ich völlig überrascht davon, wie er mit den Menschen spielte.
    Der Herzog von Schwaben war ein gefährlicher Mann. Gefährlicher noch als der dreiundzwanzigjährige, von seinen Launen und Lüsten getriebene Heinrich. Rudolf hatte nun fast fünfzig Jahre Lebenserfahrung. Und er war eine Führernatur. Er hatte die Gabe, jeden in seinen Bann zu ziehen. Er strahlte Macht, Würde, Selbstsicherheit und Kraft aus wie Mars, der Kriegsgott selbst. Doch um zu überzeugen, brauchte er keine Waffen. Nur Worte.
    Denn es war Rudolf von Rheinfelden, der den Anstoß für den Beschluss gab, den die Versammelten am Ende der Tage von Gerstungen schließlich fassten. Er stand etwas erhöht unter ihnen, als er zu sprechen begann, während die Sonne durch die Wolken brach. Es herrschte völlige Stille. Nur der Wind rauschte in den Bäumen. Mir lief ein Schauer über den Rücken, als ich ihn so dort stehen sah. Als er zum Mord an Heinrich aufrief.
    »Meine Freunde, Fürsten vom Rhein, aus vielen Teilen des Reiches und aus Sachsen, hört mich an. Wir alle sind einer Meinung, dass das Reich einen neuen Regenten braucht. Doch laßt uns besonnen an die Wahl eines neuen Königs herangehen. Es darf nicht zu einem Bruderkrieg kommen, nicht zu noch mehr Blutvergießen. Das Volk, besonders in Sachsen, hat genug gelitten. Hier kann uns nur die Klugheit helfen. Gegenüber dem König und dem einfachen Volk werden wir behaupten, wir hätten uns auf einen Frieden geeinigt. Ihr Sachsen sollt Heinrich zum Schein versprechen, dass ihr euch unterwerfen werdet, wenn euch eidlich Straffreiheit gewährt wird. Und er soll künftig eure Rechte achten. Gleichzeitig aber verhandeln wir mit den anderen Fürsten des Reiches. Denn nur wenn unsere Reihen stark und die des Königs schwach sind, wird es vielleicht nicht zu einem Krieg kommen. Der neue Herrscher muss ein Friedenskönig sein.
    Doch damit nicht genug. Wir müssen dafür sorgen, dass Heinrich niemandem mehr schaden kann.«
    Rudolf machte eine Pause. Die Stille verdichtete sich, war jetzt fast mit Händen zu

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