Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
der Wölsung zum Kampfe kommen würde. Sigmund zog seine Scharen zusammen und ritt in die Schlacht.
Hiördis liess er mit einer Magd und vielen Schätzen in einem Wald in der Nähe der See verbergen. Dort blieben die Frauen während des Kampfes. Ein unermessliches Heer stieg aus den Schiffen Lyngis ans Land, Sigmund hatte ein weit kleineres. Die Banner wurden aufgerichtet, die Hörner gellten! Sigmund liess das Horn, das schon seinem Vater gehört hatte, erschallen. In seinen grauen Haaren stand er stets im Vorderkampf; weder Schild noch Panzer hielt gegen ihn, er schritt kämpfend mitten durch das Heer seiner Feinde. Und so viele Speere und Pfeile auch auf ihn zielten, – ihn traf nicht ein Geschoss. Denn Spâ-Disen (d. i. Schutzgöttinnen) schirmten ihn und man mochte nicht zählen, wie viele Männer vor ihm fielen. Er hatte beide Arme blutig bis an die Achseln.
Da kam ein Mann in die Schlacht, im breiten Hut und dunkelblauen Mantel, einäugig, den Speer in der Hand; der trat Sigmund entgegen und schwang seinen Speer gegen ihn. Kräftig hieb Sigmund zu; sein Schwert traf auf den Speer und – sprang in zwei Stücke. Der Mann verschwand und nun wich der Sieg von dem Wölsung; sein Kriegsvolk fiel in grosser Zahl, auch Eylimi ward erschlagen und an der Spitze seiner Schlachtreihen sank auch König Sigmund wie tot.
Lyngi zog eilends in die Königsburg und dachte, Hiördis zu fangen. Doch weder Frau noch Gut fand er dort. Er verteilte nun Hunenland an seine Mannen und wähnte alle Wölsungen tot und dass er sich nicht mehr vor ihnen zu fürchten hätte.
Hiördis aber ging in der Nacht nach dem Kampf auf die Walstatt und suchte, bis sie Sigmund fand; sie fragte ihn, ob er nicht zu heilen wäre?
"Mancher lebt wieder auf," antwortete er, "bei geringerer Hoffnung, ich aber will sterben. Mir ist das Glück entwichen, seit mein Schwert zerbrochen ist; ich habe gekämpft, so lang es Odin gefiel."
"Lebe! Und räche meinen Vater," antwortete sie.
"Das ist einem andern bestimmt, Hiördis; unserm Sohn, den du unterm Herzen trägst. Und er wird der Herrlichste unsers Geschlechts sein; bewahre die Schwertstücke wohl auf; davon wird ein gutes Schwert geschmiedet, das wird Gram heissen und unser Sohn wird es tragen und sein Name wird leben, solange die Welt steht; das sei dir Trost."
Hiördis sass über ihm, bis er starb; da begann der Tag zu leuchten und sie sah, dass viele fremde Schiffe ans Land kamen. Sie ging zurück in den Wald und vertauschte die Kleider mit ihrer Magd und diese musste sich für die Königin ausgeben. Die Wikinge, die aus den Schiffen ans Land stiegen, sahen die Frauen in den Wald eilen, kamen auf die Walstatt und fanden die vielen Toten. Sie brachten eilig die Kunde ihrem König Alf, dem Sohn Helferichs von Dänemark, der an der Küste vorbeigefahren kam. Er hiess die Frauen aufsuchen und vor sich führen. Die Magd antwortete als Königin und erzählte ihm alles. Und als er nach dem im Walde verborgenen Gut fragte, führte sie ihn an die Stelle. Er liess alles auf sein Schiff tragen, auch die Frauen mussten ihm folgen und er segelte heim in sein Reich.
Nach einiger Zeit fragte ihn seine Mutter: "Warum geht die schönere der fremden Frauen in geringen Kleidern? Mich deucht, dass sie die edlere ist." Alf hegte denselben Verdacht und versuchte sie. Er setzte sich einmal beim Trinken neben die falsche Königin und fragte sie: "Was hattet ihr daheim zum Merkmal für den Tagesanbruch, falls die Nacht zögerte und kein Stern am Himmel stand?"
Sie antwortete: "Ich war gewöhnt in der Jugend, früh morgens Met zu trinken; seitdem wach ich auf um diese Zeit."
Der Königssohn lächelte: "Übel gewöhnt war die Königstochter," und ging zu Hiördis, sie dasselbe fragend. Sie gab den Bescheid: "Mein Vater schenkte mir einen Goldring, der erkaltete mir am Finger bei Tagesanbruch; daran erkenn’ ich die Stunde."
"Da gab es Goldes genug, wo Mägde Gold trugen! – Ihr habt euch lange genug vor mir verstellt; nun will ich dich deiner würdig halten, Hiördis, Königskind; – denn du sollst mein Weib werden." Da gestand sie die Wahrheit und wurde in hohen Ehren gehalten.
V. Sigurd.
1. Sigurds Geburt und Jugend.
Hiördis gebar einen Knaben, Sigmunds Sohn, und der Knabe wurde zu Helferich getragen. Der freute sich über des Kindes helle Augen, begoss ihn mit Wasser [Fußnote: Das war heidnisch-nordische Sitte.] und nannte ihn Sigurd; er wuchs bei dem König auf und jeder liebte ihn. Hiördis gab Helferich
Weitere Kostenlose Bücher