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Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Titel: Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn , Therese Dahn
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unvernommen verhallt der Ton unter dem seligen Lachen der heitern Götter. Die hellenische Mythologie ist episch; ein Idyll in leuchtenden Farben; mit weissem Marmor und Purpur, mit Gold und Elfenbein aufgebaut, hebt sie sich aus Myrten- und Lorbeer-Gebüschen unter dem Glanz des jonischen Himmels an dem leuchtenden Blau der jonischen See; nur epische Bewegung unterbrach früher etwa diesen nunmehr kampflosen heitern Frieden; in Ewigkeit, nachdem die alten Kämpfe ausgefochten, Titanen und Giganten gebändigt sind, tafeln die Götter und Göttinnen auf den Höhen des Olympos. Geraten sie auch wohl einmal untereinander in Streit, etwa um der Sterblichen in und vor Troja willen; – bald versöhnen sie sich wieder, gerade auf Kosten dieser, und bald tönt wieder ihr seliges Lachen durch die goldenen Säle.
    Ganz entgegengesetzt die germanische Mythologie; mag auch die Sage von der Götterdämmerung erst verhältnismässig spät und anfangs vielleicht nur als Geheimlehre Auserwählter (aber doch gewiss nicht erst durch christlichen Einfluss oder gar als Ahnung des Erliegens der Walhallgötter vor dem Christengott!) dem ganzen Bild den grossartigen Hintergrund verliehen, mag also der tragische Abschluss erst spät die Bewegung vollendet haben; – dramatisch ist der Bau der germanischen Mythologie von Anbeginn; obwohl es selbstverständlich an (zum Teil sehr reizenden und heiteren) epischen und idyllischen Zügen und Episoden nicht gebricht.
    Wir sahen, es baut sich die germanische Mythenwelt aus dem Gegensatz der Riesen und Asen empor. Die Riesen [Fußnote: Ursprünglich wohl ebenfalls Götter einer einfacheren, einer bloss die Naturmächte umfassenden Religion, vielleicht zum Teil auch als einer andern, von den Nordgermanen vorgefundenen, feindlichen, tiefer stehenden Nationalität, der finnischen, angehörig gedacht, aber mit germanischen Namen benannt.] sind in der Zeit, die uns hier beschäftigt, unzweifelhaft die Vertreter der dem Menschen und seinen Fortschritten schädlichen oder gefährlichen Naturkräfte, z. B. des öden, unwirtlichen Felsgebirges, des Weltmeers mit seinen Schrecken, des Winters mit seinem Gesinde von Frost, Eis, Schnee, Reif, des Sturmwindes, des Feuers in seiner verderblichen Wirkung usw. Die Asen dagegen, die lichten Walhallgötter, sind nach ihrer Naturgrundlage ursprünglich die wohltätigen, heiligen, reinen Mächte des Lichtes, dann die dem Menschen wohltätigen, freundlichen Mächte und Erscheinungen der Natur überhaupt, z. B. das Gewitter nach seiner segensreichen Wirkung, der Frühling, der fruchtbringende Sonnenstrahl, der liebliche Regenbogen, der herbstliche Erntesegen; dann aber sind sie auch Vertreter geistiger, sittlicher Mächte und Schützer, Vorsteher menschlicher Lebensgebiete; also Götter und Göttinnen z. B. des Ackerbaues, des Krieges und des Sieges, der Liebe und der Ehe, u. a. Die Götter und die Riesen stehen nun in einem unaufhörlichen Kampf, der, ursprünglich von dem Ringen und Wechsel der Jahreszeiten und der bald freundlichen, fördernden, bald furchtbaren, verderblichen Natur-Erscheinungen ausgegangen, später auf das Gebiet des Geistigen und Sittlichen, also des Guten und Bösen, übertragen worden ist. In diesem Kampf den Göttern beizustehen legt allen Menschen und allen guten Wesen Pflicht und eigner Vorteil auf.
    Anfangs nun lebten die Götter harmlos und schuldlos in paradiesischer kindlicher Heitre: "sie spielten," – sagt eine schöne Stelle der Edda – "sie spielten im Hofe heiter das Brett-Spiel". Sie versuchten fröhlich ihre jungen Kräfte an allerlei Werk [Fußnote: d. h. vor und zu dem Bau der verschiedenen Burgen und Hallen. Sie schmiedeten damals auf dem Ida-Feld (Arbeitsfeld?) allerlei Gerät, Essen und Zangen.] : "Es war ihre goldene Zeit" ("nichts Goldenes gebrach ihnen").
    Damals drohte ihnen von den Riesen noch keine Gefahr. Allmählich aber wurden die Götter mit Schuld befleckt; zum Teil erklärt sich dies aus ihren Naturgrundlagen, zum Teil aber aus den vermenschlichenden und aus den rein künstlerisch spielenden Dichtungen der sagenbildenden Einbildungskraft. Sie brechen die während der Kämpfe mit den Riesen hin und wieder geschlossenen Verträge und Waffenruhen trotz eidlicher Bestärkung, und auch im Verkehr untereinander, mit den Menschen und mit andern Wesen machen sie sich gar mancher Laster und Verbrechen schuldig. Bruch der Ehe und der Treue, Habsucht [Fußnote: Diese Goldgier scheint der ersten Verschuldung der Götter zu

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