Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
Uhland, Simrock, Grein, Ettmüller.] : "König Finn herrschte über Jüten und Friesen; in Finnsburg [Fußnote: Finnsburg lag nach Simrock und Arnold in Friesland; nach Grein in Jütland.] stand sein Hochsitz. Hildburg, die Königin, war die Tochter Hoks, eines Dänenfürsten, und, vielleicht um alte Fehde der Völker beizulegen, Finn vermählt worden. Hnäf, Hildburgs Bruder, nun Herrscher der Dänen, samt sechzig Gefolgen, darunter auch Hengest [Fußnote: Hengest, ein Häuptling der Jüten, "war von Hnäfs Geschlecht".] , der Seefahrer, mit einigen seiner Jüten, weilten als Gäste bei Finn. Vielleicht war mit Zorn- oder Schmähreden der alten Blutfehde zwischen den versöhnten Völkerschaften gedacht worden und so der Hader aufs neue entbrannt? Denn verräterisch überfielen zur Nacht Hnäf [Fußnote: Nach Uhland und Simrock; anders Grein, der Finn seine Gäste überfallen lässt.] und Hengest die Finnsburg. Greller Feuerschein – die Dänen hatten Brände in den Bau geworfen – schreckte den Schlaf von Finns Augen; laut auf schrie der König: "Das ist nicht der von Osten kommende Tag noch eines Drachen Feuerflug, und doch flammt es wie Frührot; getäuscht singen die erwachten Vöglein, dröhnend hallen Speerstösse wider Holz. Noch wandelt der Mond zwischen Wolken, und Mordtaten geschehen nun um des alten Hasses [Fußnote: Wahrscheinlich alte Blutrache.] willen. Erwacht, meine Weigande, haltet eure Lande, steht einmütig dem Feind." Da fuhren die Mannen vom Lager auf und gürteten sich mit den Waffen; Sigeferd und Eaha, zwei tapfere Helden Finns, eilten mit geschwungenen Schwertern an das Tor der Halle, das von aussen zu erstürmen suchten Oslaf und Gudlaf, die Dänen, und Hengest. "Wer hält das Tor?" rief Garulf, Gudlafs Sohn. "Ich, Sigeferd, ein schlachtkundiger Recke, das sollst du nun erproben."
In grimmem Streit ward jetzt um das Tor gekämpft; manche hatten den Schild, andre die Brünne vergessen anzulegen, so sehr eilten sie in den Kampf. Der Burgflur erdröhnte von krachenden Schilden und Schwerthieben, als Garulf unter Sigeferds Streichen zusammenbrach und tot um ihn lagen viele tapfere Feinde; von Helm und Eisen stoben die Funken; Hnäfs wildmütige Dänen vergalten nun im Rachekampf Sang und reinen Mut des jungen gefallenen Edelings, der ihrer aller Freude gewesen war. Sie fochten fünf Tage, keiner von ihnen fiel und sie gewannen das Tor. Da wandte sich Hnäf von der Walstatt; die Brünne zerhauen, den Helm zerspalten, Schild und Speer zersplittert, schartig und stumpf das Schwert, todwund sein Leib; er ging zu sterben. Aber vom Speer durchbohrt lagen auch Finns Söhne, und der Kampf hatte alle seine Edelinge verschlungen, bis auf so wenige, dass er sich nicht mehr vor Hengest, der nun die Feinde führte, behaupten konnte. Da boten die Friesen Vergleich an; die Hälfte ihrer Huben mit Halle und Hochsitz wollten sie Hengest einräumen, und Finn sollte dann gleiche Gaben austeilen unter Friesen wie Dänen.
Mit Eiden wurde der Friede gefestigt, und Hengest gelobte Finn mit unverbrüchlichem Schwur, dass keiner der Seinen je mit Worten noch Werken den Frieden brechen sollte. Wofern aber ein Friese mit frecher Rede den verderblichen Hass erneue, sollte er’s mit dem Schwert büssen. So schwuren sie den Eid und Finn teilte allen Gold zur Sühne aus. Ein Scheiterhaufen wurde geschichtet, die Gebeine der Toten zu verbrennen; Hnäf legten sie oben darauf in blutiger Brünne und goldenem Eberhelm, um ihn die andern Gefallenen; da befahl Hildburg, auch ihre Söhne auf die Scheiter zu betten an Hnäfs Seite. Ein gramvoll Weib stand sie dabei, die eignen Kinder und den Bruder zugleich beklagend. Bis zu den Wolken empor stieg der Brand, die gierige Lohe verschlang alle im Kampf Gefallenen.
Die Dänen verteilten sich über Friesland in die ihnen zugewiesenen Höfe; Hengest blieb bei Finn, er versäumte die Herbstzeit, wann er den Schiffs-Steven hätte heimwenden können, bis der Winter kam mit Sturm und Eis und die Heerwege sperrte; so überwinterte er in Finnland. Aber auch als der Frühling kam, der zur Heimkehr einlud, hielten ihn heimliche Rachegedanken zurück. Der beschworenen Frieden zwar mochte er nicht brechen; aber er hoffte, die Friesen, der Fremdlinge überdrüssig, würden die Zwietracht zuerst beginnen, dann musste er Gelegenheit zur Rache für Hnäfs Fall finden. Auch ihm war sein Geschick schon zugemessen; Finn [Fußnote: Vielleicht argwöhnend.] liess ihm heimlich mit dem Schwerte die Brust
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