Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
Gesinde und bringe sie mir her. Keine bleibe zurück in der Arbeitsstube."
"Das tu’ ich gern," sprach Hartmut und liess die Jungfrauen suchen und zu ihrer Herrin führen. In schlechten Kleidern, mit verwirrten Haaren kamen sie; die üble Gerlind war ein masslos Weib.
"Nun siehe, Hartmut, wie meine Mägde gehn," sprach Kudrun: "Kann dir das Ehre bringen?"
"Ich lasse ihnen alsogleich gute Kleider reichen," antwortete der König.
Da wurden Bäder zugerüstet für die Frauen; viele von Hartmuts Gesippen drängten sich dazu, Kudrun als Kämmerlinge zu dienen.
Als die Frauen vom Bade zurückkehrten, wurde ihnen vom allerbesten Wein geschenkt. Hartmut verliess ihren Saal und sandte ihnen Truchsesse. Die trugen köstliche Speisen auf, und in würdiger Stille sass die junge Königin mit ihren Dienerinnen beim Mahle.
Da begann eine aus Hegelingen mit feuchten Augen: "Wenn ich dessen gedenke, dass wir bei denen bleiben sollen, die uns gewaltsam hierher führten, so wird’s mir weh zu Mute."
Die das hörten, fingen auch zu weinen an; da lachte Kudrun hell auf. Eilig raunten die Kämmerlinge Frau Gerlind, dass Kudrun lache, während ihre Frauen weinten. Gerlind suchte Hartmut: "Mein Sohn, über euch alle kommt grosse Mühsal; ich weiss nicht, worüber Kudrun, die junge Königin, lacht? Wie es immer zugegangen sei, – sicher ist ihr von ihren Freunden eine heimliche Botschaft gekommen. Darum hüte dich wohl, dass du nicht Leben und Ehre verlierst."
"Lass gut sein, Mutter," antwortete er, "ich gönn’s ihr gerne, wenn sie sich mit ihren Mägden freut. Weite Ferne trennt uns von ihren Gesippen. Wie sollten die mir schaden!"
Kudrun befahl ihren Frauen, im Saal nachzusehen, ob ihr geziemend gebettet sei; sie wolle schlafen gehen. Das war ihre erste, kummerlose Nacht im fremden Land. Normannenknaben trugen ihr Fackeln voraus; da waren weiche Polster für alle Frauen gerichtet.
"Edle Herren," sprach Kudrun, "ihr mögt nun auch schlafen gehn; ich will mit meinen Frau’n eine lange Ruhe haben."
Da gingen alle Normannen, die alten mit den jungen, aus dem Frauengemach. "Schliesst mir die Tür," befahl Kudrun ihren Mägden. Rasch flogen vier starke Riegel vor. Dicht waren des Saales Wände; kein Lauscher konnte draussen erhorchen, was innen geschah. Und nun sassen sie erst recht fröhlich beisammen und tranken guten Wein, der stand noch reichlich auf den Tischen.
"Ihr treuen Frauen," sprach die Königin, "nun freut euch nach dem langen Leid! Morgen lass’ ich euch liebe Augenweide schau’n; ich habe heut geküsst Herwig, meinen Bräutigam, und Ortwein, meinen Bruder! Die unter euch gern reich werden will, die sorge, dass sie uns morgen den Tag zuerst verkünde."
8. Der Hegelinge Ankunft.
Als Ortwein und Herwig gegen Abend wieder an ihrem Heer auf dem wilden Sand kamen und ihre Begegnung mit den Frauen erzählt hatten, sprach der alte Wate: "Brecht auf! Zögern kann uns nichts nutzen. Die Luft ist heiter, der Mond scheint breit und klar; morgen, eh’ es tagt, müssen wir vor Ludwigs Burg stehen."
Sie sprangen auf die Rosse und ritten die ganze Nacht.
Als der Morgenstern hoch am Himmel stand, trat in Kudruns Saal eine Jungfrau ans Fenster; da sah sie lichte Helme und Schilde erglänzen; die Burg war von Kriegerscharen umschlossen. Geschwind ging sie zu Kudruns Lager: "Erwachet, edle Frau, ein Heer belagert diese Feste; unsre Freunde sind gekommen."
Die meisten in Ludwigs Schloss schliefen noch; der Burgwart aber rief mit starker Stimme: "Wafena, Herr König, Wafena! Wacht auf, ihr Kämpen, ihr habt schon zu lang geschlafen."
Das hörte Gerlind in ihrem Gemach, sie liess den alten König schlafend liegen, eilte selber auf die Zinne und sah die grimmen Gäste vor den Toren. Schnell ging sie zurück: "Erwache, Ludwig, dein Schloss umstehen behelmte Gäste. Kudruns Lachen bezahlen deine Mannen heute mit dem Leben."
Ludwig ging mit Hartmut zu einem Fenster; von dort aus konnten sie die Heere übersehen. "Ich seh’ ein weisses Banner mit goldenen Gebilden darin," sprach Hartmut, "das sind Frau Hildes Zeichen. Daneben flattert eine von wolkenblauer Seide, Seeblätter [Fußnote: Blätter der Wasserlilie.] schwimmen darin; das brachte Herwig von Seeland her; er will seine Schande rächen. Das dritte dort mit lichtroten Sparren, darein Örter [Fußnote: Ort = Spitze.] stehen, führt der junge Ortwein, dem wir den Vater erschlugen; der kommt nicht, uns Freundschaft zu bieten! Wohlauf denn, meine Mannen; haben die grimmen
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