Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
fragte: "Wo ist der Fährmann hingekommen?"
"Bei einer wilden Weide fand ich dies Schiff und löste es; einen Fährmann sah ich nicht; ich fahr’ euch hinüber ans andre Ufer; war ich doch der beste Fährmann am Rhein."
Die Rosse schwammen zusammengekoppelt durch. Das Schiff war gross; es trug fünfhundert auf einmal.
Viele Ruder tauchten ein, viele Hände zogen; Schiffsmeister war Hagen. Wie sie zum letzten Mal abfuhren, fiel ihm ein, was die Wasserminne von dem Kaplan gesagt hatte; er stiess ihn aus dem Schiff ins Wasser. "Halt’ ein," zürnte Giselher. "Was nützt dir sein Tod? Was tat er dir?" sprach Gernot.
Der arme Pfaff schwamm kräftig nach, zornig stiess ihn Hagen hinab. Solch Tun gefiel keinem. Nun wandte sich der Schwimmer zurück zum Ufer und kam ans Land und stand, sich schüttelnd, auf dem Sande. Da erkannte Hagen, dass der Wasserfrau Weissagung nicht zu ändern war. "Sicher verlieren wir das Leben," dachte er. Der Kaplan zog wieder nach Worms. Als alle übergesetzt waren, zerschlug Hagen das Schiff. Das wunderte alle. Später sagte er Dankwart, er habe es getan, damit jeder Verzagte, der ihnen in der Not habe entfliehen wollen, an dem Strom schmählichen Tod leiden müsse.
"Nun wahret euch wohl," rief Hagen, "Wir sollen nie zurückkehren ins Burgundenland! Das sagten mir heut früh weise Meerfrauen. Nur dem Kaplan verhiessen sie Heimkehr; gern hätt’ ich ihn darum ertrinken sehn. Immer in Waffen lasst uns fahren!"
Der Abend sank; der starke Volker band den Helm fest und ritt ihnen als Wegweiser voraus; ihm waren Strassen und Wege bekannt. Hagen führte mit Dankwart die Nachhut. Des Fährmanns Tod war schon Else und Gelfrat zu Ohren gekommen; sie ritten dem Zuge nach und griffen an. Dankwart stellte sich zum Kampf.
"Wer jagt uns nach?" fragte Hagen.
"Ich suche den, der unsern Fährmann erschlug," antwortete der Bayer, – "der Ferge war ein starker Held."
"Er wollte uns nicht überfahren; ich erschlug ihn; ich tat’s aus Not."
Da ging’s ans Streiten. Gelfrat und Hagen rannten gegeneinander mit den Speeren. Dankwart bestand Else. Hagen fiel rückwärts vom Ross, sein Gefolge schützte ihn; er erhob sich und rannte den Gegner abermals an, doch musste er Dankwart zu Hilfe rufen. Der schlug Gelfrat mit scharfem Streich zu Tode. Else und sein Gesinde mussten das Feld räumen. Die von Tronje jagten ihnen eine Weile nach, dann wandten sie sich wieder, dem Hauptzug Gunthers zu folgen. Vier hatten sie verloren, hundert aus Bayerland lagen tot.
Sie ritten die ganze Nacht, und erst am lichten Morgen, da Gunther Hagens blutige Brünne sah, erfuhr der König von dem Kampf.
Als sie an Rüdigers Markung kamen, – es war abends, – ruhten die Burgunden aus. Hagen hielt die Wacht und fand einen Mann, der schlafend auf seinem Schwerte lag. Er fasste die Hilze, zog es unter ihm hervor und weckte den Schläfer. Der griff umsonst nach seinem Schwert und rief, aufspringend: "Wehe mir für diesen Schlaf! Fort ist meine Waffe und übel habe ich Rüdigers, meines Herrn, Mark gehütet; ein Heer kam in sein Land; drei Tage und drei Nächte wacht’ ich; – und schlief nun ein."
"Sieh her," sprach Hagen, "ich gebe dir diese Goldspange, und du sollst daran mehr Freude haben als der, dem ich sie zuerst bot. Nimm auch dein Schwert zurück und fürchte nichts für Rüdiger von unsrer Schar. Der Markgraf ist unser Freund, König Gunther gebietet unserm Heer. Nun weise uns eine gute Herberge an für die Nacht und sage, wie hu heissest?"
"Ich heisse Eckewart und wundre mich, dass du kommst, Hagen, Aldrians Sohn, der du Siegfried erschlugst. Hüte dich, solang du im Heunenland bist! Ich nenn’ euch aber einen Wirt, den ziert höchste Güte wie keinen andern Mann. In die gute Bechelaren zu Markgraf Rüdiger führ’ ich euch."
"Eile heim; zu ihm wollten auch wir; melde, dass wir kommen."
Eckewart ritt davon, Hagen aber hiess die Burgunden aufstehn und ihm in die gute Bechelaren folgen. Vor dem Tor kam ihnen der Markgraf entgegengeritten. Saal und Gemächer standen für die Gäste zu frohem Willkomm bereitet. Bis zum zweiten Morgen mussten sie verweilen; da ward Dietlind, Rüdigers Tochter, Giselher verlobt. Gunther und Gernot schenkten ihr Burgen und Land zur Brautgabe; der Markgraf gab ihr Gold und Silber, soviel hundert Saumrosse tragen konnten. Dann reichte er Gunther ein Gastgeschenk; einen goldüberzogenen, mit Edelsteinen gezierten Helm, Gernot ein starkes Schwert. "Und was siehst du, Hagen, in meiner
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