Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
sich zu waffnen; ich will die Burgunden um Rüdigers Tod befragen."
"Herr, alle liegen sie erschlagen; ich allein bin übrig."
"Wehe mir armen Dietrich, der ich ein reicher König und allen furchtbar war! Sag’, wer lebt noch von den Gästen?"
"Niemand mehr als Hagen und Gunther."
10. Der Nibelungen Ende.
Da legte König Dietrich seine Waffen an und klagte laut um seine Blutsbrüder; die Halle schütterte von seiner Stimme Schall. Er fasste den Schild und schritt hinaus, von Hildebrand gefolgt. Vor des Saales Tür fand er Gunther und Hagen an die Wand lehnend. "Dort kommt Dietrich," sprach Hagen, "er heischt Rache. Traun, ich getraue mir wohl, ihn zu bestehen."
Der Berner setzte seinen Schildrand nieder: "Warum habt ihr mir landflüchtigem Mann meine treuen Genossen erschlagen? War’s nicht genug an dem guten Rüdiger?"
"Deine Recken kamen gewaffnet heran," antwortete Hagen.
"Sie begehrten, dass ihr den toten Rüdiger herausbrächtet; Spott war eure Antwort."
"Versagten wir’s," sprach Gunther, "so ward’s Etzel zu Leid getan, nicht euch."
"Wohlan, Gunther; zur Sühne für alle mir Erschlagenen, ergib dich mir als Geisel; dich und Hagen. Ich will euch schützen, dass euch hier nichts geschieht."
"Niemals!" rief Hagen. "Wehrhaft und bewaffnet, frei und ledig vor unsern Feinden stehen wir zwei."
"Ihr dürft’s nicht verweigern. Ich biet’ euch meine Treue und geleit’ euch sicher in euer Land zurück, oder mich halte der Tod."
"Lass ab," grollte Hagen, "wir Nibelungen ergeben uns nicht."
"Es kommt wohl noch die Stunde," warnte ihn Hildebrand, "da ihr gern meines Herrn Sühne annähmet."
"Ehe ich vor einem Feind wegliefe, wie du vor mir getan, ja freilich, lieber ging ich in Vergeiselung. Ich wähnte, du stündest fester, Alter."
"Ei, wer war’s, der im Wasgenwald auf einem Steine müssig sass, während ihm Walther so viele Freunde erschlug?"
"Lasst das Schelten," gebot Dietrich. "Hört’ ich recht, Hagen, dass du sagtest; allein wolltest du mich bestehen?"
"So sagt’ ich, und mich ergrimmt sehr, dass du uns als Geiseln begehrst."
Da hob Dietrich den Schild; eilig sprang Hagen ihm entgegen, die Stufen hinab. Gewaltig stritten sie, bis endlich Dietrich Hagen eine breite und tiefe Wunde schlug [Fußnote: Nach andrer Überlieferung schmilzt Hagens Brünne unter Dietrichs Feuerhauch.] . "Ich will ihn nicht erschlagen," dachte Dietrich, "ich will ihn mir zur Geiselhaft zwingen." Er liess den Schild fallen, umschloss Hagen mit seinen starken Armen und band ihn. In Fesseln führte er ihn vor Krimhild.
Da frohlockte sie: "Ich will dir’s danken, Berner."
"Dann sollst du ihm das Leben lassen, Königin," verlangte Dietrich. Sie liess ihn in ein festes Verliess bringen.
"Wohin kam mir der Berner? Hagen will ich an ihm rächen!" rief Gunther und stürmte mit Zornestoben hinaus, gegen Dietrich.
Die Burg widerhallte von ihren Schwertschlägen. Dietrich schlug ihm eine Wunde, wie er Hagen getan hatte, und legte auch ihn in Bande. Dann fasste er ihn an der Hand und führte ihn zu Krimhild.
"Willkommen, Gunther aus Burgund," sprach sie.
"Ich würde dir danken, Schwester, wäre dein Gruss nicht schnöder Spott."
"Königin," sprach Dietrich, "so edle Helden wurden noch nie vergeiselt; du sollst ihnen milde und gnädig sein um meinetwillen." Mit feuchten Augen schritt er hinweg.
Krimhild aber heischte Rache.
Sie ging zu Hagen und sprach: "Willst du mir den Hort Siegfrieds herausgeben, so mögt ihr lebend heimziehen." Er wusste gut, dass sie ihm das Leben nicht liess, – überlisten wollte sie ihn; darum sprach er: "Ihn geb’ ich nicht heraus, solang noch einer meiner Herren lebt."
"Nun mach’ ich ein Ende," zürnte sie und befahl, Gunther das Haupt abzuschlagen; an den Haaren trug sie’s vor Hagen hin.
"Nun hast du’s nach deinem Willen zu Ende gebracht!" rief er stolz; "den Schatz, den weiss nun keiner als ich und Gott allein, er soll dir Valandine immer verhohlen sein."
"So will ich doch Siegfrieds gutes Schwert besitzen; er trug’s, als ich zuletzt ihn sah."
Und sie zog Balmung aus der Scheide, schwang das Schwert und schlug Hagen das Haupt ab.
König Dietrich sah’s von fern; grollend rief er: "Jammer und Wehe! Von eines Weibes Hand erliegt der allerkühnste Mann, der je zum Streite ging und Schild trug."
"Und bracht’ er mich auch in Todesnot," rief Hildebrand, "ich räche Hagen!" Er sprang zu Krimhild und schlug sie mit einem Schwung des Schwertes in Stücke.
Etzel und Dietrich
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