Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
ihn fernher sehen konnte. Bei seinem Anblick brachen er und Krimhild in ungestüme Klagen aus.
9. Dietrichs Speerbrüder fallen.
Der Jammer war so laut, dass Türme, Palast und die ganze Stadt davon erfüllt wurden. "Ich glaube, sie haben Etzel oder Krimhild erschlagen," sprach aufhorchend einer in des Berners Halle. Dietrich entsandte einen Boten, der kam bald zurück mit der Antwort: "Die Burgunden haben den milden Rüdiger erschlagen."
"Wie hätte Rüdiger das um sie verdient!" rief Dietrich.
"So müssen wir ihn rächen," fuhr Wolfhart auf, Hildebrands Schwestersohn. Dietrich befahl Hildebrand, zu erkunden, wie alles geschehen sei.
Waffenlos sollte der Alte gehen, aber Wolfhart mahnte ihn: "Geh in Waffen, dass sie dich fürchten." Da gürtete Hildebrand sein Schwert um, und ehe er es hindern konnte, standen Dietrichs Mannen gerüstet um ihn. "Wir gehen mit, Meister; ob Hagen von Tronje so kecken Sinn hat, dir mit Spott zu antworten?"
Volker sah sie kommen: "Gewaffnet und gehelmt schreiten Dietrichs Gesellen daher, sie wollen uns befehden."
Hildebrand setzte den Schild vor seine Füsse und sprach: "Was hat euch Rüdiger getan? Dietrich, mein Herr, hat mich gesandt; ob ihr den Markgrafen wirklich erschlagen hättet, wie man uns sagte? Das ertrügen wir nicht ruhig."
"Da sagte man euch wahr!" antwortete Hagen. "Ich wünschte um Rüdigers willen, es wäre gelogen."
Laut klagten die Amalungen. "Der Landflüchtigen Wonne habt ihr erschlagen!" sprach einer. "Wer soll Gotelinde trösten?" der andre, und Wolfhart rief zornig: "Wer soll nun die Recken führen, so gut wie Rüdiger es oft getan hat?"
Vor Gram mochte Hildebrand nicht weiter fragen. "Bringt uns nun den Toten aus dem Saal, damit wir ihn ehrenvoll bestatten."
"Ihr lohnt ihm geziemend, was er an euch getan," sprach Gunther.
"Wie lang’ sollen wir warten?" rief der ungeduldige Wolfhart.
"Niemand bringt ihn euch entgegen," antwortete Volker. "Holt ihn euch aus dem Saal, dann ist es voller Dienst, den ihr ihm tut."
"Fiedelmann! reiz’ uns nicht!" drohte Wolfhart, "wagt ich’s, käm’t ihr bald in Not; – doch Dietrich hat uns das Streiten verboten."
"Feig’ ist, wer alles lässt, was man ihm verbietet."
"Hüte dich, Volker! Deinen Übermut werd’ ich nicht ertragen."
"Wagst du dich gegen mich, so trüb’ ich deines Helmes Glanz."
Da wollte Wolfhart Volker kampflich angehen, aber Hildebrand hielt ihn fest. "Lass ihn los, Meister" rief der Spielmann, "ich schlag’ ihn, dass er kein Wort zur Widerrede sagt."
Hei, wie ergrimmten die Amalungen! Jäh sprang Wolfhart die Stiege hinan, ihm folgten seine Freunde. Hildebrand wollte seinen Neffen nicht allein in den Kampf lassen, er erreichte ihn vor der Tür und rannte Hagen an. Schwerter klirrten, Funken stoben davon; da schlug Wolfhart Volker einen Hieb auf den Helm, den ihm der Fiedler wacker vergalt. Ein Amalunge, Wolfwein, trennte die zwei. Hildebrand focht, als ob er wüte.
Dietrichs Schwestersohn, Siegstab, zerschrotete Helm nach Helm; das sah Volker, von Zorn entbrannt, schlug er ihn zu Tode.
"Weh um meinen jungen Herrn! Spielmann, nun sollst du sterben," rief Hildebrand, und grimmig war er zu schaun, als er nun mit raschen Schlägen Volker Helm und Schild zerhackte und zerspellte, bis der starke Spielmann sein Ende fand. Hagen sah ihn fallen: "Meinen besten Heergesellen hast du erschlagen!" Und den Schild höher rückend, schritt er fechtend voran. Da ward auch Dankwart erschlagen. Wolfhart schritt zum dritten Mal durch den Saal; da rief ihn Giselher an und sie kämpften miteinander. Zum Tode verwundet, liess Wolfhart den Schild fallen und schnitt Giselher mit dem Schwert durch Helm und Brünne. Tot sanken beide hin. Da war von Gunthers und Dietrichs Mannen keiner mehr am Leben ausser Hagen und Hildebrand.
Der sterbende Wolfhart tröstete seinen Ohm: "Klage nicht um mich! Herrlich bin ich von eines Königs Hand erschlagen. Du aber hüte dich vor Hagen."
Und Hagen war schon bereit; Volker wollte er rächen. Sausend schwang er Balmung auf den Waffenmeister und schnitt ihm durch die Brünne. Als der Alte die Wunde fühlte, warf er den Schild auf den Rücken und entrann Hagen. Blutüberströmt ging er zu König Dietrich.
"Was bist du so rot von Blut?" fragte der König. "Wer tat dir das?"
"Das tat mir Hagen, kaum bin ich ihm mit dem Leben entronnen. Und Rüdiger liegt tot."
"Wer hat ihn erschlagen?"
"Gernot."
"Geh, Hildebrand, bring mir meine Waffen. Gebiete auch meinen Speerbrüdern,
Weitere Kostenlose Bücher