Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
erfuhr, dass Herzog Ludwig und sein Sohn Konrad die Burgherren seien.
"Und wer herrscht über Bern?"
"Hadubrand, der Sohn des alten Hildebrand."
"Ist er ein tapferer Degen? Und wie ist er geartet?" fragte der Meister weiter.
"Der ist ein grosser Held! Dabei mild und herablassend, aber grimmig gegen seine Feinde."
"Weisst du sonst noch Neues?"
"Ja, man sagt hier bei uns, Ermenrich in Romaburg soll tot sein."
Nun waren sie an die Burg gekommen, die an einem Berghang lehnte. Hildebrand gab dem Mann einen Goldring und bat ihn um Botendienst.
"Geh’ hinein und bitte deinen Jungherrn, zu mir herauszukommen; er wird leichter zu Fuss sein als sein Vater."
Eilig lief der Mann zu Konrad mit dem Auftrag:
"Draussen vor der Burg steht ein grosser gewaffneter Mann mit einem weissen Bart, der ihm bis auf die Brust reicht, und bittet, dass du zu ihm hinausgehst; und als Botenlohn gab er mir seinen goldnen Fingerring."
Der Jüngling ging sogleich vors Burgtor hinaus. Hildebrand begrüsste ihn und fragte nach seinem Namen.
"Ich heisse Konrad, mein Vater ist Herzog Ludwig, und wer bist du?"
"Hildebrand, der Wölfinge Meister, wenn du den Mann hast nennen hören."
"Meister Hildebrand!" rief Konrad und küsste ihn, "du glücklichster und seligster aller Helden! Ich bin auch vom Wölfingengeschlecht; geh mit mir zu meinem Vater und sei uns hoch willkommen!"
"Das kann ich jetzt nicht; was weisst du Neues aus Romaburg?"
"König Ermenrich ist tot."
"Und wer trägt seine Krone?"
"Der böse Hund, der falsche Verräter Sibich. Aber sage, woher kommst du? Und welche Märe bringst du?"
"Vielleicht hast du sie schon gehört: Graf Else, der junge, ist erschlagen, und König Dietrich ist ins Amalungenland gekommen."
"Jaria [Fußnote: Ein Ausruf der Freude.] !" rief Konrad. "Hadubrand hat Boten nordwärts entsendet zu König Dietrich, dass er in sein Reich zurückkehren solle. Er will Bern nicht an Sibich übergeben, noch sonst eine Amalungenstadt; lieber wollen alle Amalungen sterben, ehe dass Sibich über Bern herrsche. Komme nun in die Burg und bleibe bei uns."
"Ich muss zuerst in den Wald zurückreiten; denn dort wartet meiner König Dietrich," und der Alte wandte sich.
"Meister Hildebrand, warte noch, bis ich die Nachricht meinem Vater gebracht habe." Hurtig sprang Konrad ins Burgtor und lief zu Herzog Ludwig.
"Vater, König Dietrich von Bern ist gekommen und Meister Hildebrand mit ihm; er steht draussen vor der Burg und wartet meiner."
Als der Herzog das hörte, stand er sogleich auf und ging vor die Burg hinaus zu Hildebrand. Er küsste ihn und sprach: "Sei mir willkommen, Meister, kehr ein und empfang’ alle Ehre, die wir dir erweisen können; aber wo ist König Dietrich?"
"Im Walde," antwortete Hildebrand; und nun rief der Herzog nach seinem Ross, weil er sofort zu Dietrich reiten wollte. Da kamen gerade sieben Burgmänner eingefahren mit einem Wagen voll Wein und Honig. Diesen Wagen liess der Herzog mit den besten Speisen beladen und in den Wald hinausfahren; dann ritt er mit Hildebrand und seinem Sohn hinein, bis dass sie Dietrich fanden. Auf zerbröckeltem Stein sass der König an einem grossen Feuer, das er entzündet hatte; er hielt die Hände über die flackernde Flamme. Ludwig und Konrad stiegen von den Hengsten, knieten nieder und küssten Dietrichs Hand.
"Willkommen, teurer Herr, König Dietrich von Bern! Nimm uns und all unsre Mannen zu deinem Dienst; was immer du getan haben willst, – wir sind bereit."
Der König stand auf, fasste ihre Hände und bat sie, sich zu ihm zu setzen. Das taten sie; und nun musste der Berner erzählen von seinen Kriegsfahrten, seinen Kämpfen und all den Geschehnissen im Heunenland, die er erlebt hatte. Dann berichtete Herzog Ludwig, was er vom Amalungenreich zu sagen wusste und bat den König, nun in die Burg Einkehr zu halten.
"Im Walde muss ich hausen, vorerst," sprach Dietrich, "denn ich habe gelobt; in keines Menschen Haus will ich ruhen, bevor ich wieder eintrat in meine gute Burg Bern."
Meister Hildebrand wollte seinen Sohn Hadubrand aufsuchen und ritt fort. König Dietrich aber blieb im Walde zurück und bei ihm der Herzog und sein Sohn.
3. Hildebrand und Hadubrand.
Hildebrand zog gen Bern. Und als er der Stadt so nahe gekommen war, dass er ihre Türme erkennen konnte, ritt ihm ein Mann entgegen auf einem weissen Ross; an dessen Schuhen blinkten goldne Nägel, hell leuchtete die Rüstung und in dem weissen Schild waren goldne Türme gezeichnet. Hadubrand war’s;
Weitere Kostenlose Bücher