Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
Rosse von ihren Höfen holen und in den Klosterhof treiben. Heime stiess einem die Hand in die Seite; da fiel es um; einem andern, das ihm das beste dünkte, stemmte er die Faust auf den Rücken, dass ihm das Rückgrat brach.
"Die Mähren taugen nicht," sagte er. "Bringt mir eine bessre Zucht."
Nun führten sie einen alten, magern, aber grossen Hengst vor; Heime erkannte Rispa; er ging hin zu ihm und zog mit aller Kraft an Mähne und Schweif, aber der Hengst stand unbeweglich; da sagte Heime:
"Mein guter Rispa, so alt und mager du bist, wir reiten in den Kampf. Nehmt ihn," befahl er den Mönchen, "gebt ihm reichlich Korn und pflegt ihn mir sorgfältig."
Sechs Wochen stand Rispa im Stall; dann war er schön und fett wie in seiner Jugend.
Der Abt sandte Aspilian Botschaft und bestimmte ein Eiland zum Kampfplatz. Die Mönche rüsteten ein Schiff und ruderten Heime und Rispa dorthin; sie empfahlen ihn dem Schutze Gottes und liessen ihn allein auf die Insel reiten. Aspilian kam ihm auf einem Elefanten entgegen.
"Was," rief er, "du kleiner Mensch willst mit mir kämpfen? Kehr’ lieber um."
"Höre, Riese," antwortete Heime zornig, "so gross du bist, bevor wir scheiden, sollst du zu mir emporschauen."
Er gab Rispa die Sporen und rannte Aspilian mit dem Speer unter den Arm; der Schaft brach, der Riese aber war unverletzt und schoss seine Stange nach Heime; doch der bückte sich vor, die Riesenstange flog über ihn hinweg und so tief in das Erdreich, dass sie niemals wieder gefunden ward. Heime sprang ab und zog sein Schwert; auch Aspilian stieg von dem Elefanten und schlug mit dem Schwert nach Heime; der sprang zur Seite und die Klinge fuhr wieder in das Gras, aber hurtig hieb Heime dem Riesen die Hand ab, oberhalb des Schwertgriffes, und mit dem zweiten Schlag schnitt er ihm die Hüfte weg. Nun wollte der Wehrlose sich auf Heime fallen lassen, ihn zu erdrücken. Der Held mochte nicht fliehen, sondern sprang auf den Ungefügen zu, und als der plumpe Leib zur Erde kam, stand Heime unverletzt zwischen des Riesen beiden Beinen. Er wandte sich und tat einen Schlag nach dem andern auf die langen Glieder, bis sie zerhauen waren.
Die Mönche im Schiff hörten zitternd das Dröhnen; als sie aber den Riesen fallen sahen, stimmten sie ein Tedeum an und gingen auf das Eiland, Heime entgegen. Am Klostertor empfing ihn der Abt und führte ihn in feierlichem Zug in die Kirche auf seinen Sitz. Grosse Ehre ward ihm erwiesen und er lebte wieder als Mönch wie zuvor.
Seit König Dietrich aus Heunenland fortgezogen war, waltete Etzel seines Reiches bis zu seinem Ende. Die einen sagen, er sei erschlagen worden, die andern, er sei verschwunden. Dietrich aber nahm sein Reich in Besitz, und kein König wagte, sich gegen ihn zu erheben, noch ihn anzugreifen, wenn er dem Berner auf dessen einsamen Ritten begegnete.
Als König Dietrich sagen hörte, ein Mönch habe Aspilian, den Riesen, erschlagen, wunderte ihn das sehr; und es kam ihm in den Sinn, dass solche Hiebe einst Heime zu hauen pflegte. Vergeblich fragte er nach dessen Verbleib, niemand wusste von ihm. Da ritt der König mit seinem Gefolge nach jenem Kloster, dessen Mönch den Riesen sollte gefällt haben.
Als er vor dem Tore hielt, ging der Abt hinaus, verneigte sich vor dem König und fragte nach seinem Begehr.
"Ist hier ein Mönch, der Heime heisst?" fragte Dietrich.
"Ich kenne die Namen aller Brüder; Heime heisst keiner."
"Dann musst du mich ins Kapitel führen und alle Mönche zusammenrufen," befahl Dietrich. Aber da kam gerade ein Bruder aus dem Kloster geschritten, klein von Wuchs, mit breiten Schultern, er trug einen breitkrempigen Hut und hatte einen langen grauen Bart. Dietrich glaubte, den Gesuchten zu erkennen.
"Bruder," sprach er ihn an, "wir haben manchen Schnee gesehn, seit wir schieden; du bist Heime, mein Speerbruder."
"Ich kenne Heime nicht," antwortete der Mönch, "und war niemals dein Genosse."
"Erinnre dich, wie unsre Hengste tranken in Friesland, dass das Wasser zwei Fuss abnahm, so gross es auch war."
"Ich erinnere mich dessen nicht, da ich dich nie gesehen habe, soviel ich weiss."
"So denkst du doch noch des Tages, da ich von Bern floh und Ermenrich dich in Verbannung trieb?"
"Ich habe wohl Dietrich und Ermenrich nennen hören; doch ich weiss nichts Näheres von ihnen."
"Du musst dich erinnern, Heime, wie wir nach Romaburg zu Ermenrichs Gastmahl kamen! Laut wieherten unsre Hengste, schöne Frauen standen und grüssten uns! Da hatte ich goldige
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