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Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen

Titel: Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Dahn , Therese Dahn
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da er einen ihm unbekannten Mann in Waffen reiten sah, senkte er den Speer und rief ihn an: "Weshalb reitest du in Helm und Brünne, alter Graubart, was suchst du in meines Vaters Land?"
    "Sage mir," entgegnete Hildebrand, "wer dein Vater ist, oder welchem Geschlecht du angehörst? Wenn du mir einen nennst, so weiss ich die andern alle; denn mir sind bekannt aller Völker Geschlechter."
    "Mit arglistigen Worten willst du mich locken, alter Heune! Mit dem Speer will ich dich werfen; du wärest nun besser daheim geblieben."
    "Töricht sprichst du da; mir ist bestimmt, in den Kampf zu reiten bis zu meiner Heimfahrt."
    "Ein alter Späher bist du, voll Arglist; gib deine Waffen her! Und du selbst musst mein Gefangner werden, wenn du dein Leben behalten willst."
    "Dreissig Winter lebt’ ich fern der Heimat; stets stand ich im Vorderkampf und niemals trug ich Fesseln; ich werde mich auch deiner erwehren. Ein Feigling, der dir nun den Kampf weigerte, dessen dich so sehr gelüstet. Speerwurf entscheide, wer des andern Brünne gewinnt."
    Da liessen sie scharfe Eschenspeere fliegen, dass sie in den Schilden stecken blieben. Dann stiegen sie ab und sprangen zusammen; "harmvoll" (grimmig) hieben sie mit schneidenden Schwertern auf die weissen Lindenschilde, die krachend barsten; beider Blut spritzte auf; aber Hildebrand tat einen gewaltigen Schlag gegen Hadubrands Schenkel; die Brünne zersprang und eine tiefe Wunde klaffte ihm am Bein. Kampfmüde sprach Hadubrand: "Nimm mein Schwert. Ich kann dir nicht länger widerstehn. Wotan steckt in deinem Arm."
    Hildebrand wandte den Schild zur Seite und streckte die Hand vor, das dargebotene Schwert zu ergreifen; da hieb Hadubrand verstohlen nach der Hand, sie abzuhauen, doch Hildebrand schwang rasch den Schild vor.
    "Den Hieb lehrte dich ein Weib," rief er zürnend, drang ungestüm gegen den Besiegten und warf ihn zu Boden. Er setzte ihm die Schwertspitze vor die Brust und sprach; "Sage mir schnell deinen Namen! Bist du vom Geschlecht der Wölfinge, dann sollst du dein Leben behalten."
    "Hadubrand heiss’ ich; Frau Ute ist meine Mutter und Hildebrand heisst mein Vater."
    "Dann bin ich, Hildebrand, dein Vater," rief der Waffenmeister, schloss dem Jüngling den Helm auf und küsste ihn. Aufsprang Hadubrand voll Freude zugleich und voll Grames.
    "Weh’, Vater, lieber Vater! Die Wunden, die ich dir geschlagen habe, wollt’ ich lieber dreimal an meinem Kopf haben."
    "Die Wunden werden bald heilen, lieber Sohn. Wohl uns, dass wir hier zusammengekommen sind."
    Sie stiegen nun auf die Hengste – es war noch früh am Tag – und ritten zu Frau Ute, die in der Burg Her [Fußnote: Nach andern Garten.] nahe bei Bern wohnte. Hadubrand führte den Vater in die Halle und setzte ihn auf den Ehrensitz. Da kam Frau Ute gegangen und fragte staunend: "Sohn, wer schlug dir die Wunde? Und wer ist dein Fahrtgenosse? oder dein Gefangener?"
    "Er hätte mich schier zu Tode geschlagen, aber er ist kein Gefangener; freue dich, liebe Mutter, Hildebrand, der Wölfinge Meister ist’s, biet’ ihm den Willkomm."
    Freudig erschreckt füllte Frau Ute einen Becher voll Weins und brachte ihn Hildebrand; – hatte sie ihn doch seit zweiunddreissig Jahren nicht mehr gesehen. – Der trank den Becher leer, zog ein Fingerringlein ab, liess es hineinfallen und reichte ihr den Becher zurück. Sie kannte das Ringlein gut und schlug ihre beiden Arme um Hildebrands Hals und küsste ihn unter Lachen und Weinen.
    Nun verband sie Vater und Sohn die Wunden; und sie blieben den Tag über bis zur Nacht beisammen. Dann brachen die beiden Männer auf und ritten in die Burg nach Bern.
4. Dietrichs und Hildebrands Empfang zu Bern.
    Hadubrand sandte sofort durch die Stadt und liess noch in derselben Nacht die Vornehmsten Berns in die Königshalle rufen. Dort sprach er zu ihnen: "Ich kann euch gute Botschaft melden; König Dietrich, Dietmars Sohn, ist ins Amalungenland gekommen und will sein Reich wieder fordern. Wollt ihr nun dem König dienen oder Sibich, dem Verräter?"
    Darauf antwortete einer: "Das weiss ich, dass alle Männer hier und im ganzen Amalungenland des Königs harren; lieber werden sie sterben als Sibich dienen."
    Alle stimmten ihm zu mit lautem Beifallsruf, der weit durch die Nacht schallte.
    "Aber ist’s auch wahr, dass er zurückgekehrt?" fragte zweifelnd ein andrer.
    "Das ist wahrlich wahr!" antwortete Hadubrand, "und ihm ist gefolgt Hildebrand, der Wölfinge Meister, mein lieber Vater. Seht ihn hier." Und er zog den

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