Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
Heldentum; in den Kampf zieht es immerdar die "Helm-Mädchen" dahin.
Sie können sich in Schwäne verwandeln oder, menschliche Bildung bewahrend, in ein Schwanenhemd (ähnlich Freyas Falkenhemd) fahren und so noch rascher als auf ihren Rossen die Luft durchsausen. Diese Rosse sind als Wolken gedacht; die Walmädchen sind Odins Töchter; seine Naturgrundlage: Luft und Wind, fehlt auch ihnen nicht ganz; durch die Lüfte schweben sie, nicht auf Erden stampfen ihre Pferde. Tau träuft von den Mähnen ihrer Rosse "und das macht fruchtbar die Felder". Daher heisst eine der Walküren geradezu "Mist", d. h. Nebel (noch neuenglisch ebenso).
An jene Schwanenhemden der Walküren knüpfte gar manche schöne Sage. Wenn die Mädchen dieselben abgelegt haben, etwa um zu baden, und Menschen ergreifen die Flügelgewande rasch, können sie jene in ihre Gewalt bringen. Auch gehört ein Schwanenring dazu, auf dass sie ganz zu Schwänen werden können; wer ihnen diesen abstreift, hindert ihre Verwandlung und Flucht. So hatte ein Held Agnar der Walküre Brunhilde ihr Schwanenhemd hinweg – "unter die Eiche" – getragen und sie dadurch gezwungen, ihm statt seinem Feinde Hjalmgunnar, dem Odin den Sieg bestimmt hatte, den Sieg zu verleihen. So bemächtigen sich Wieland der Schmied und seine beiden Brüder dreier Königstöchter, welche bei dem Bad ihre Schwanenhemden von sich gelegt hatten; jedoch nach sieben Jahren fliegen diese wieder davon, hinweggetragen von allüberwindendem Sehnen nach ihrem Leben mit Schild, Helm und Speer. Auch die drei Meerweiber, oder die Donaunixen, welche Hagen bei der Fahrt in Königs Etzels Reich begegnen und welche er zwingt, ihm die Zukunft zu weissagen [Fußnote: Selbstverständlich kennen sie die Zukunft, wenigstens den Ausgang der Schlachten und ob Leben und Tod dem Helden darin bevorstehe, da sie ja das Kriegsgeschick, Kriegsschicksalgesetz selbst küren; daher bittet auch ein angelsächsischer Zauberspruch solche "Siegweiber", nicht zu Walde fahren, d. h. sich flüchtend zu entziehen, sondern dem Anrufenden sein Geschick wahr zu sagen.] , indem er ihnen "die wunderbaren Gewande", d. h. die Schwanenhemden wegnimmt, waren Wal-küren, Sieg-Weiber. Daher sind auch ihre Namen so oft mit Sieg zusammengesetzt (Sig-run, Sig-lind, Sig-ridh, Sigr-drifa). Aber auch Wünschel-Weiber heissen sie wohl (vgl. oben), oder "Wilde Weiber", "Waldfrauen", und im Mittelalter werden sie oft zu Meer-mädchen, "Meer-Minnen", Wasserfrauen, Nixen, die sich gelegentlich in Schwäne verwandeln oder auch in andre Tiergebilde mit Fischschwanz, Schlangenleib (Melusine, des Staufenbergers Geliebte). Als solche vermählen sie sich wohl mit sterblichen Männern; freilich meist mit der Neigung, nach einiger Zeit Gemahl und Kinder zu verlassen, um dem alten Beruf nachzuschweben; oder doch unter der Bedingung, alle sieben Tage oder Wochen ungefolgt und unbelauscht sich zurückziehen und in der ursprünglichen Gestalt als Schwan oder Schlange oder als Nixenkönigin mit den Genossinnen sich bestimmte Zeit tummeln zu dürfen; bricht der Mann aus Fürwitz oder Misstrauen das Gelübde, entschwindet die Edle für immerdar, und all sein Glück ist hin; das Gegenstück der Lohengrinsage, indem hier der Mann, wie bei Lohengrin das Weib, durch neugieriges Misstrauen sich der Liebe des edleren Gatten als unwürdig erweist. Zuweilen auch schliessen diese überirdischen Mädchen nicht geradezu Ehe mit Sterblichen, aber ein Freundschafts- oder Liebesbündnis, und sie fliegen dann auf deren Ruf oder auf ein Zauberwort oder Zauberzeichen sofort herbei, "sie zu schützen", Sieg, Glück, Schönheit ihnen zu verleihen; hierin gleichen die Walküren den angeborenen weiblichen Schutzgeistern, den Fülgias des Nordens, welche ihre Helden und Lieblinge von der Geburt bis zum Tode schützend umschweben [Fußnote: Ich könnte in Prosa das schöne Gesamtverhältnis dieser herrlichen jungfräulichen Heldinnen zu sterblichen Helden nicht eindringlicher und schärfer ausdrücken, als ich es in folgenden Versen versucht habe:
Lied der Walküre.
Froh sah ich dich aufblühn, du freudiger Held,
Lang folgt’ ich dir schwebend und schweigend gesellt.
Oft küsst’ ich des Schlummernden Schläfe gelind,
Und leise die Locken, die dir wehen im Wind.
Hoch flog ich zu Häupten, – du kanntest mich kaum –
Durch die Wipfel der Wälder, dein Trost und dein Traum.
Ich brach vor dem Bugspriet durch Brandung dir Bahn,
Vor dem Schiffe dir schwamm ich, weiss-schwingig, ein
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