Walhall. Germanische Goetter- und Heldensagen
Sigurd.
Aus der Heldensage senkt sich dann später die uralte Überlieferung als Niederschlag in das Märchen vom Dornröslein und in den Schwank, "von dem, der auszog, um das Gruseln zu lernen", der allein die von Ungeheuern gefangene Königstochter retten kann, weil eben er sich zu fürchten nie gelernt, bis die Befreite, nachdem sie ihm vermählt worden, auch diesen Wunsch erfüllt, und ihm, während er schläft, einen grossen Eimer eiskalten Wassers voll zappelnder Fischlein in das Bett und über den Leib schüttet, wobei er das Gruseln gründlich lernt.
Übrigens ist auch Schneewittchen, das "in den Bergen bei den sieben Zwergen", d. h. bei den Dunkel-Elben in einer Höhle, oder in dem im tiefsten Walde versteckten Zwergenreich den Todesschlaf schläft, nachdem ihr der giftige Kamm (der Schlafdorn) in das Haupt gestochen worden, eine in der Unterwelt in dem Todesschlaf ruhende Göttin, die nur der jugendschöne, jugendkühne Königssohn, d. h. der Frühlingssonnenstrahl, erwecken und befreien mag.
Der germanische Heldengeist lebt durchaus nicht nur in den Männern unsers Volkes; er hat vielmehr auch hochherzige Jungfrauen und Ehefrauen in Zeiten schwerer Kämpfe und Gefahren beseelt. Schon die Römer haben dies erfahren; die Frauen der Kimbern kämpften noch von der Wagenburg herab für ihre weibliche Ehre, nachdem die Männer erschlagen waren. Auch sonst fanden die siegenden Legionen unter den Erschlagenen auf der Walstatt manchmal Frauen in Mannesrüstung. Tacitus hebt hervor, dass die Waffen (Schild, Schwert und Framea), das aufgeschirrte Ross bei den Brautgaben nicht fehlen dürfen; – die junge Frau empfängt sie von dem Gemahl, dem auch sie Waffen schenkt; sie sollen ausdrücken, in welcher Gesinnung das Weib des Mannes Genossin werden müsse; diese Gemeinschaft auch im Werk der Waffen ist das innigste Band, das heiligste Geheimnis der Ehe; die Waffengötter sind auch die Ehegötter. Das Weib soll nicht wähnen, ausserhalb der Gedanken des Heldentums stehen zu dürfen und ausserhalb der Gefahren des Krieges; gleich zu Anfang der Ehe soll sie durch diese Wahrzeichen gemahnt werden, dass sie zu dem Manne komme als Genossin auch seiner Kämpfe und Gefahren, sein Schicksal teilend in der Schlacht wie im Frieden, das Gleiche wagend und erleidend. Dies bedeutet das aufgezäumte Ross und das Geschenk der Waffen; in solcher Gesinnung soll das Weib leben, in solcher sterben, die empfangenen Waffen den Söhnen und den Schwiegertöchtern unbefleckt, nicht entehrt übergeben, so sie vererbend von Geschlecht zu Geschlecht (Tacitus, Germania Kapitel 18). Nur ein Heldenvolk solcher Gesinnung vermochte Gestalten wie die Walküren aus seiner Einbildungskraft, ja aus dem eignen Leben zu schöpfen.
Nicht selbst die Waffen führend, aber durch Weissagung, durch Erforschung des Ausganges bevorstehender Kämpfe die Beschlüsse der Feldherren, der Volksführer leitend, übte so die Jungfrau Veleda, im Lande der Brukterer auf hoher Warte einsam hausend, grössten Einfluss auf den Krieg der gegen Rom verbündeten Germanen bei dem Aufstande der Bataver im Jahre 69; sie hatte den Sieg verheissen und Sieg war geschehen und der gefangene Legat der Römer wurde auf seiner eroberten Prachtgaleere ihr die Lippe hinauf als wohlverdienter Beuteanteil zugeführt [Fußnote: Dahn, Urgeschichte, II, S. 140; Deutsche Geschichte, I, 1, S. 414, Die Bataver. Sämtl. poetische Werke. Erste Serie Bd. IV.] .
XI. Andre Götter und Göttinnen.
Von zahlreichen andern Göttern und Göttinnen sind uns Spuren erhalten, kaum hinreichend, lebendige Anschauung von ihren Gestalten zu gewähren, aber genügend, unsre Klage zu verstärken, dass uns von all dem Grossartigen und Heldenhaften, Tiefsinnigen und Feinsinnigen, Ahnungsvollen und fröhlich Schalkhaften, was die Seele unsres Volkes in diesen Gebilden geschaffen hatte, nur so dürftige Trümmer und Andeutungen geblieben sind.
Unzweifelhaft ist von Heimdall, dem Sohne Odins, und von neun (riesischen) Schwertern (welche ihn aufgenährt haben mit der Kraft der Erde, mit kühler Flut und mit dem Strom des Sonnenlichtes), nur bezeugt, dass er der treue Wächter [Fußnote: Die Edda rühmt von ihm; weniger Schlaf als ein Vogel braucht er; bei Nacht wie bei Tag sieht er hundert Rasten weit; er hört das Gras wachsen in der Erde und auf den Schafen die Wolle; – also erst recht jeden stärkeren Laut.] der Regenbogenbrücke Bif-röst ist; er trägt das gellende Wächterhorn, Giallarhorn, in das er
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