Walisischer Sommer
ich auch. Allerdings kann ich Ihnen nur ein einfaches Essen servieren, Suppe und Salat. Aber vorher zeige ich Ihnen Ihr Zimmer. Kommen Sie bitte mit.”
Er führte sie über einen weitläufigen Flur.
„Ein Industriellensohn hat sich vor vielen Jahren das Haus bauen lassen, weil er zu den Wurzeln seiner Familie zurückkehren wollte. Deshalb ist es so groß. Da das Grundstück, auf dem es steht, relativ klein und von daher für die Farmer der Umgebung uninteressant ist, konnte ich das Anwesen zu einem günstigen Preis erwerben”, erklärte er.
Warum ist er so mitteilsam? überlegte Christa. Wollte er sie besänftigen? Nun, das würde ihm nicht gelingen.
Aber dann war sie doch beeindruckt von dem Gebäude, wie sie insgeheim zugab, während sie hinter Daniel die Treppe hinaufging. Der ursprüngliche Besitzer hatte offenbar sehr viel Geld und einen guten Architekten gehabt.
Als sie kurz stehenblieb, fiel ihr Blick auf eine neu aussehende Stelle in dem Treppengeländer aus Holz. Sogleich erklärte Daniel ihr freundlich, daß er es selbst ausgebessert hatte und daß Tischlern sein Hobby sei.
Dann folgte Christa ihm schweigend. Ist seine Freundlichkeit nur aufgesetzt, oder ist sie echt? fuhr es ihr durch den Kopf. Immer noch unterstellte sie ihm, daß es zu seiner wahren Natur gehörte, die Menschen zu täuschen. Denn nur so konnte er es erreichen, daß andere an die Illusionen glaubten, die er ihnen vorgaukelte.
Ihr fiel nun wieder ein, wie sehr sie sich an jenem Nachmittag geirrt hatte zu glauben, die Wärme und Bewunderung in seinem Blick seien aufrichtig gemeint gewesen. Was wäre wohl geschehen, wenn sein Freund ihr nicht die Augen geöffnet hätte? Wäre sie auf ihn hereingefallen, um dann, sobald sie die Wahrheit über ihn erfahren hätte, in ein tiefes Loch zu fallen?
Auf einmal wurde ihr bewußt, wie verletzlich sie sich fühlte, obwohl sie überzeugt gewesen war, gegen Männer wie Daniel Geshard gefeit zu sein.
Wahrscheinlich hatte er sie nur hergelockt, weil er es sich weder finanziell noch aus beruflichen Gründen erlauben konnte, sich von einer Frau herausfordern zu lassen und vielleicht auch noch als der Verlierer dazustehen.
Auf jeden Fall wird sich zwischen uns ein heftiger Kampf abspielen, dachte sie.
„Ich möchte Ihnen dieses Zimmer geben. Das angrenzende Badezimmer haben Sie für sich allein”, sagte er und blieb vor einer Tür stehen, die er dann aufstieß. Christa trat ein und schaute sich um. Der Raum war einfach, aber geschmackvoll eingerichtet.
„Beim Abendessen können wir uns über den Ablauf und Inhalt Ihres Kurses unterhalten. Eins unserer Anliegen ist, daß die Teilnehmer erfahren, wie wichtig harmonische Teamarbeit ist. Viele Führungskräfte haben diesen Aspekt heutzutage aus den Augen verloren. In unserer Gesellschaft herrscht der Wunsch vor, Macht zu demonstrieren und andere zu dominieren. Wir sind bestrebt, diesen Trend umzukehren, indem wir die Bedeutung und Vorteile guter Zusammenarbeit und des friedlichen Miteinanders unter Kolleginnen und Kollegen herausarbeiten.”
„Ich habe keine Mitarbeiter”, entgegnete Christa ironisch. Sie fühlte sich wieder sicherer und spürte, wie ihr Widerstand gegen seine Ausführungen mit jedem seiner Worte wuchs. „Sie sollten sich einmal das wirkliche Leben ansehen”, fügte sie sarkastisch hinzu. „Ich garantiere Ihnen, Ihre Theorie ist völlig illusorisch. Wenn meine Konkurrenten und ich anfingen, einander zu unterstützen und was auch immer, dann würden uns die Kunden sogleich Preisabsprache und Kartellbildung vorwerfen.”
„Mich können Sie nicht täuschen, Christa”, erwiderte Daniel sanft. „Sie mögen ja glauben, hart und zynisch zu klingen, aber das ist nur Selbstschutz.”
Und noch ehe sie antworten konnte, verschwand er und schloß die Tür leise hinter sich.
Selbstschutz? überlegte sie, das ist doch lächerlich. Vor was oder wem sollte ich mich denn schützen wollen?
Christa zögerte kurz auf dem Flur. Obwohl ihr aus der Küche ein verführerischer Duft in die Nase stieg, wollte sie Daniel nicht unbedingt begegnen. Doch zu spät, denn auf einmal wurde die Tür geöffnet, und er stand vor ihr.
„Die Suppe ist fertig”, verkündete er fröhlich. „Aber das war auch keine große Sache, ich brauchte sie nämlich nur im Mikrowellenherd aufzuwärmen.”
Wer hat sie wohl zubereitet? überlegte Christa, als sie wenige Minuten später am Küchentisch saß und die schmackhafte Fleischbrühe aß. Eine der
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