Walisischer Sommer
völlig egal, wie qualifiziert Sie dafür sind”, entgegnete sie hitzig. „Ich setze mich nicht mit Ihnen in ein Kanu.”
„Ohne diesen wichtigen Bestandteil des Kurses … Nun, wenn Sie es sich inzwischen anders überlegt haben und nicht mehr teilnehmen möchten …”
Christa blickte ihn wütend an. Sie konnte sich gerade noch beherrschen, ihm kräftig die Meinung zu sagen. Er arbeitete offenbar mit allen erdenklichen Tricks, damit sie die Sache aufgab und sich selbst ins Unrecht setzte.
„Hoffentlich sind Sie gut versichert”, antwortete sie, die Zähne zusammengebissen.
„Oh, ja, sehr gut sogar”, erklärte er. „Falls es Sie beruhigt, es ist noch kein Kursteilnehmer ertrunken.”
„Ich warne Sie, nur ein einziger blauer Fleck …”
In seinen Augen blitzte es amüsiert auf.
„Wenn das Kanufahren Ihnen so viele Probleme bereitet …” sagte er, ohne den Satz zu beenden. Seine Stimme klang nun wieder sehr besorgt.
„Sie sind mein Problem”, entgegnete sie. „Sie und das ganze Theater, das Sie hier aufführen, und das nur dazu dient, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen.”
„Theater!” wiederholte er ärgerlich, stand auf und ging einige Schritte auf sie zu, so daß sie sich am liebsten ganz klein gemacht hätte. „Das ist kein Theater. Im Gegenteil, ich nehme das Ganze sehr ernst.”
„Ach ja?” warf Christa verletzend ein. „Für Sie sind also das Herumsitzen im Kreis, um zu diskutieren, und Wandern und Kanufahren ernsthafte Beschäftigungen! Wann findet übrigens diese Übung auf dem Wasser statt?”
„Für die meisten ist es eine amüsante Erfahrung. Wenn Sie jedoch wirklich Angst davor haben …”
„Das habe ich gar nicht!” fauchte sie ihn an. „Ich kann nur darin keinen Sinn erkennen!”
„Sie sagen nicht die Wahrheit, Christa. Sie fürchten sich doch davor”, entgegnete er ruhig.
„Nicht vor dem Kanufahren”, erwiderte sie hitzig.
„Nein? Wovor denn dann? Möchten Sie nicht zugeben müssen, sich getäuscht zu haben?”
Er ärgerte sich, das spürte sie ganz deutlich, obwohl seine Stimme sachlich und freundlich klang.
„Nein”, erwiderte sie energisch. „Ich weiß nämlich genau, daß ich recht habe. Ich werde meine Meinung über das, was Sie hier praktizieren, und die angeblichen Erfolge nicht ändern.” Auch nicht über Sie, wollte sie noch hinzufügen, tat es jedoch nicht, denn auf einmal empfand sie gar kein Triumphgefühl mehr darüber, daß sie ihn wütend gemacht hatte.
„Dieses ganze Zeugs … die Diskussionen, Wanderungen und Kanufahrten … das alles ist reine Zeitverschwendung”, erklärte sie ungehalten.
„Nein”, antwortete er und schlenderte zu seinem Stuhl zurück. „Das stimmt nicht, im Gegenteil, sie sind bestens geeignet, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen.”
„So?” Christa zog spöttisch die Augenbrauen hoch. „Das finde ich sehr eigenartig, denn Vertrauen kann man nicht aufbauen. Entweder man hat es oder nicht.”
„In gewisser Weise haben Sie recht. Doch sehr oft verliert man dieses Gefühl und läßt sich von Mißtrauen beherrschen. Daraus muß man wieder herausfinden und von neuem lernen, sich auf andere zu verlassen …”
„Wie dem auch sei”, unterbrach Christa ihn und zuckte die Schultern, „da ich hier allein bin, entfällt dieser Aspekt Ihres Kurses, oder? Es gibt ja niemanden, mit dem ich üben kann.”
„Doch, mich.”
„Was?” Christa schob den Suppenteller weit von sich. „Erwarten Sie etwa, daß ich lernen soll, Ihnen zu vertrauen? Niemals! Da müßte schon ein Wunder geschehen!”
„Manchmal tut es das sogar”, wandte er nach kurzem Schweigen sanft ein.
„Aber nicht in diesem Fall! Warten Sie nur ab!”
„Außerdem ist dieser Punkt wirklich ein wesentlicher Bestandteil unserer Kurse”, fuhr er fort. „Denn wenn man weiß, daß man sich auf andere verlassen kann und andere einem vertrauen, wird die Selbstachtung in viel höherem und positiverem Maße gefördert als durch beruflichen oder finanziellen Erfolg. Es ist zwar gut, daß Arbeit geschätzt und belohnt wird, aber noch besser ist es zu wissen, daß wir um unserer selbst willen geachtet werden.”
Christa hörte ihm aufmerksam zu. Er wirkt sehr überzeugend, dachte sie spöttisch. Die ernste Miene, die Begeisterung und Gewißheit in seiner Stimme – ja, sie konnte sich gut vorstellen, wie beeindruckt streßgeplagte Karrieremenschen von seinen Theorien waren.
„Entschuldigen Sie, ich gerate ins Schwärmen”, meinte er auf
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