Walisischer Sommer
Daniel dort in Shorts und mit nacktem Oberkörper ein schnittiges Motorboot durchs Wasser lenkte. Auf einmal wurde ihr bewußt, wie trocken ihr Mund wurde bei dem Bild, das vor ihrem inneren Auge auftauchte, und wie heftig ihr das Herz pochte. Rasch verdrängte sie die quälend erregenden Gedanken wieder.
Sie war jedoch wütend, weil Daniel sie in einen solchen Gefühlswirrwarr stürzte. Sie empfand nicht nur Ungeduld mit sich selbst, sondern es waren noch andere Emotionen im Spiel, wie Unruhe, freudige Erwartung, Unsicherheit und noch mehr.
Müde schloß sie die Augen. Eigentlich war es völlig unlogisch und unvernünftig, daß sie ausgerechnet diesen Mann begehrte und sich nach ihm sehnte. Diese Empfindungen mußte sie unbedingt unterdrücken und überwinden.
„Fertig.”
Christa warf Daniel, der auf dem schmalen Landungssteg stand, einen feindseligen Blick zu. Sie hatten sich im kleinen Bootshaus die wasserdichten Schutzanzüge übergezogen, und nun wollte Daniel die schmale Leiter hinunterklettern, die ins Wasser führte.
Christa biß die Zähne zusammen und ging auf ihn zu. Unter ihr schaukelte das kleine Kanu auf dem Wasser.
„Muten Sie mir etwa zu, in diesem Ding das Leben aufs Spiel zu setzen?” fragte sie ungläubig, denn es sah wie ein Spielzeugboot aus.
„Es ist absolut sicher”, antwortete er. „Es ist wirklich unsinkbar. Es kann höchstens umkippen …”
„Ach ja?” erwiderte sie mißtrauisch.
„Ja”, bekräftigte er und fügte erklärend hinzu: „Wenn jemand noch unerfahren ist, kann es passieren, daß es sich umdreht. Aber diese Boote sind so gebaut, daß sie sich von selbst wieder aufrichten, ohne daß die Kanufahrer oder das Boot selbst Schaden nehmen. Sie haben nichts zu befürchten, Christa, sonst würde ich Sie gar nicht mitnehmen.”
„Und das soll ich glauben?” sagte sie leise vor sich hin. Aber er hatte es offenbar gehört, denn sekundenlang blitzte es in seinen Augen ärgerlich auf, er schien sich dann aber wieder gefangen zu haben und meinte unbekümmert: „Haben Sie vielleicht erwartet, ich würde mit Ihnen mitten auf den See hinauspaddeln und Ihnen drohen, Sie zu ertränken, wenn Sie nicht bereit sind, Ihre Meinung zu ändern?”
Natürlich hatte sie so etwas nicht angenommen. Doch als sie seinem belustigten Blick begegnete, fühlte sie sich so in die Defensive gedrängt, daß sie scharf erwiderte: „Das würde ich Ihnen sogar zutrauen. Ich denke mir, daß Sie ziemlich verzweifelt sind, denn so ein Studienzentrum wie dieses steht und fällt mit seinem Ruf.”
„Und Sie verfügen über so viel Einfluß, daß Sie über Erfolg oder Mißerfolg entscheiden können?” erkundigte Daniel sich mit samtweicher Stimme.
Er hat recht, so spöttisch zu reagieren, überlegte Christa. Dennoch war sie überrascht, denn bisher hatte sie von ihm eine so spitze Bemerkung noch nicht gehört. Es war eigentlich eher ihr Stil, sich so spöttisch zu äußern.
„Du liebe Zeit, lassen Sie uns die ganze Aktion endlich hinter uns bringen”, forderte sie ihn dann verdrießlich auf.
Es war ein kühler Tag, der Himmel war bewölkt und sah nach Regen aus, und Wind trieb das Seewasser in kleinen Wellen vor sich her.
Christa erbebte insgeheim und wäre am liebsten umgekehrt. Doch sie unterdrückte diese Regung, atmete tief ein und ging ans Ende des Landungsstegs.
„Ich klettere vor Ihnen hinunter”, erklärte Daniel.
Geschickt und sicher stieg er die Leiter hinunter und in das kleine Boot. Dann forderte er Christa auf, ihm zu folgen.
Sie tat es, fühlte sich jedoch keineswegs wohl dabei. Auf der untersten Sprosse blieb sie zitternd stehen.
„Das machen Sie wirklich gut”, sagte Daniel hinter ihr. „Jetzt noch einen Schritt ins Kanu hinein, und Sie haben es geschafft.”
Sekundenlang klammerte sie sich angespannt an die Leiter. Daniel hielt das Boot mit einer Hand fest und reichte Christa die andere, um ihr zu helfen. Wenn er mich nun losläßt, dachte sie beunruhigt.
„Es ist alles in Ordnung, Christa.”
Nun ärgerte sie sich, weil er offenbar wieder einmal genau wußte, wie ihr zumute war. Entschlossen wollte sie die Sache beenden. Doch als sie den letzten Schritt tat und im Kanu landete, erfaßte Panik sie. Aber sie wollte sich vor Daniel keine Blöße geben und kämpfte gegen die Angst an. Glücklicherweise ging dann alles gut. Christa setzte sich hin, und Daniel paddelte mit einer solchen Geschwindigkeit über den See, daß es Christa beinahe den Atem verschlug. Sogar
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