Walisischer Sommer
aus seinen Augen.
„Ich gehe jetzt ins Haus”, erklärte sie kurz angebunden.
Ihr war ganz übel. Sie überlegte, wie viele Frauen er schon mit diesen verführerischen Küssen und sinnlichen Berührungen, mit denen er soviel zu versprechen schien, getäuscht hatte. Als er Christa losließ, versteifte er sich, als könnte er es nicht ertragen. Aber im nachhinein glaubte sie, daß er ihr nur etwas vorgespielt hatte. Und auch die Art und Weise, wie er sich geschickt umdrehte, damit sie nicht bemerkte, wie erregt er war, war bestimmt nur eine gut einstudierte Taktik. Er kannte alle Tricks, Frauen das Gefühl zu vermitteln, er begehre sie.
Mit gesenktem Kopf eilte sie ins Haus und durch die Küche, während sie den Tränen nahe war. Und dann blieb sie wider besseres Wissen plötzlich stehen und wandte sich um.
Er stand reglos da und beobachtete sie. Die Hände hatte er in die Hüften gestützt, die Ärmel des weichen Baumwollhemds, das er weit offen trug, hatte er hochgekrempelt, und der Wind fuhr ihm durchs Haar.
Konnte er aus dieser Entfernung erkennen, wie irritiert sie war? Und wußte er, daß er der Grund für ihre Verwirrung war? Kümmerte es ihn überhaupt, was er ihr antat?
Nein, das interessiert Männer wie ihn sowieso nicht, überlegte Christa verbittert, während sie die Tür zum Flur öffnete.
Auf einmal stellte sie fest, wie schmutzig die eleganten teuren Schuhe aus weichem Leder geworden waren, die sie sich erst vor kurzem gekauft hatte. Auch die Hose hatte einige Spritzer abbekommen. Außerdem war ihr kalt geworden bei dem kühlen Wind, der Daniel offenbar nichts ausmachte.
Am besten hätte ich die warme Unterwäsche eingepackt, die mir im vergangenen Winter so gute Dienste geleistet hat, überlegte Christa auf dem Weg zu ihrem Zimmer, wo sie sich etwas Wärmeres zum Anziehen heraussuchen wollte.
Aber dann tat sie nichts dergleichen, sondern stellte sich ans Fenster, ohne jedoch die wundervolle Kulisse der Berge im Hintergrund wahrzunehmen. Denn in Gedanken durchlebte sie noch einmal die wenigen Minuten in Daniels Armen. Schließlich seufzte sie ärgerlich auf. Wie konnte das nur geschehen? Wie konnte ich das alles zulassen? Habe ich es etwa selbst so gewollt? fragte sie sich.
„Nein, ich habe es wirklich nicht gewollt”, sagte sie laut.
Was eigentlich nicht? Daß Daniel mich küßt? fuhr es ihr durch den Kopf. Sie begann zu zittern und schloß die Augen. Sie wußte genau, daß sich die kleine innere Stimme, die sich immer wieder spöttisch meldete, nicht täuschen ließ.
Also gut, ich habe mir gewünscht, daß Daniel mich küßt, mich berührt, gestand sie sich ein. Aber das war absolut verrückt, denn sie war eine erwachsene Frau und viel zu vernünftig, um sich Hals über Kopf zu verlieben, nur weil dieser Mann mit seinen Küssen bisher unbekannte Gefühle in ihr weckte.
Dieses verwirrende und erschreckende Gefühl, als würde sie den Boden unter den Füßen verlieren, war hoffentlich kein Indiz dafür, daß sie sich in Daniel verliebt hatte – oder war es bereits zu spät?
Nein, es war so unmöglich, daß es fast schon lächerlich war.
Vielleicht fühlte sie sich ja wirklich körperlich zu Daniel hingezogen. Natürlich war es falsch gewesen, seinem Charme und seiner Ausstrahlungskraft zu erliegen und sich zu unüberlegten Handlungen hinreißen zu lassen, aber niemals würde sie sich in einen Mann wie Daniel verlieben. Das hielt sie für ausgeschlossen.
Wenn ich hierbleibe … Ach, Unsinn, natürlich muß ich die Zeit durchstehen, sagte sie sich energisch. Sonst wären nämlich Daniel und alle anderen überzeugt, sie würde nicht mehr zu ihren früheren Aussagen stehen.
Sie würde also nicht aufgeben, sondern dafür sorgen, daß sie einen kühlen Kopf behielt, trotz der erotischen Atmosphäre zwischen ihnen. Vor allem wollte sie sich stets an Lauras Schicksal erinnern, das sie erlitten hatte, nachdem sie sich hoffnungslos in Piers verliebt hatte.
Ärgerlich überflog Christa das Programm, das Daniel für sie aufgestellt hatte. Glaubte er wirklich, irgend etwas davon könnte ihre Meinung ändern? Für den nächsten Tag war die Kanufahrt vorgesehen. Christa runzelte die Stirn, während sie aus dem Fenster schaute. In dem silbrig schimmernden See in der Ferne spiegelte sich der graublaue Himmel.
Kälte und Nässe mochte sie nicht, nur Wärme und Sonnenschein. Das letzte Mal hatte sie eine Bootsfahrt in griechischen Gewässern gemacht. Und unwillkürlich stellte sie sich vor, wie
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