Walisischer Sommer
glauben.
Nur zögernd öffnete Christa die Augen. Sie fürchtete sich entsetzlich, bis ihr bewußt wurde, daß sie in ihrem Bett in Daniels Haus lag und nicht mehr an der Bergwand.
Obwohl sie versicherte, daß es ihr gutgehe, hatte man sie im Spital gründlich untersucht, ehe man sie in Daniels Obhut entließ, allerdings mit der Auflage, strikte Bettruhe einzuhalten.
Diesem Kakao, den er mir zu trinken gegeben hat, hat er bestimmt etwas beigemischt, überlegte sie jetzt, denn sie fühlte sich noch sehr benommen.
Daniel, dachte sie. Und als hätte sie seinen Namen laut ausgesprochen, kam er plötzlich ins Zimmer. Seine finstere Miene hellte sich sogleich auf, als er sah, daß Christa wach war.
„Wie geht es dir?” fragte er und blieb neben ihrem Bett stehen.
„Wie nach einem Kampf mit einem Grislybären”, erwiderte sie scherzhaft.
Er hatte darauf bestanden, in der Notaufnahme bei Christa zu bleiben, während man sie untersuchte.
„Das sind nur oberflächliche Hautabschürfungen, es ist nichts Schlimmes”, beruhigte die Krankenschwester ihn, denn sie bemerkte seinen entsetzten Blick.
Dennoch hätte Daniel Christa am liebsten schützend umarmt und ihr die Schmerzen abgenommen. Nicht nur, weil er Christa liebte, sondern auch, weil er sich schuldig fühlte.
Er hatte sie gebeten, ihm zu vertrauen, ihm zu versprechen, sich nicht von der Stelle zu rühren. Als er sie dann allein ließ, hatte er jedoch gewußt, daß ihr Schicksal nicht nur in seinen Händen lag. Denn er konnte nicht abschätzen, wie lange es dauerte, bis die Felsplatte, auf der sie lag, anfing zu bröckeln. Aber er hatte keine andere Wahl, als wegzugehen und Hilfe zu holen.
„Wieviel Uhr ist es?” fragte Christa jetzt.
„Gleich halb sieben”, erwiderte er.
„Was?” Sie richtete sich auf und zuckte sogleich vor Schmerzen zusammen. „Dann habe ich beinahe vierundzwanzig Stunden geschlafen.”
„Ziemlich genau achtzehn”, erklärte Daniel. Er verschwieg ihr, daß er während der ganzen Zeit kein Auge zugetan hatte, aus Sorge um sie und um bei ihr zu sein, falls sie ihn brauchte.
„Also immer noch neun Stunden zuviel”, sagte sie munter. „Ich stehe jetzt auf, ich habe nämlich Hunger. Denn weder gestern noch vorgestern abend habe ich etwas gegessen …”
Schweigend schauten sie sich an, und ihre Blicke sprachen Bände.
„Ich möchte nicht mehr ohne dich sein, Daniel”, meinte Christa heiser. „Ich möchte bei dir sein. Wir waren so nahe daran, einander zu verlieren, nicht nur wegen des Unfalls …”
„Nein, bitte nicht”, unterbrach er sie gequält und ergriff ihre Hand. „Ich werde es mir nie verzeihen.”
„Das mußt du aber. Außerdem trifft mich viel mehr Schuld als dich, denn wenn ich dir vertraut hätte, wäre das alles nicht passiert. Ich verspreche dir, Daniel, ich werde nie mehr an dir zweifeln.”
„Oh, Christa.” Daniel küßte sie so vorsichtig und behutsam, als wäre sie zerbrechlich.
Als er sich wieder von ihr löste, ließ sie den Blick sehnsüchtig auf seinen Lippen ruhen. Wie kann ich ihm nur beibringen, daß ich trotz der blauen Flecke und Hautabschürfungen am liebsten in seinen Armen liegen würde und leidenschaftlich von ihm geliebt werden möchte, überlegte sie.
Es ist bestimmt keine leichte Aufgabe, fügte sie in Gedanken hinzu, denn Daniel zog sich zurück und ging zur Tür.
„Ich lasse dich jetzt allein, damit du dich anziehen kannst. Ich muß noch zwei Anrufe erledigen.”
Doch während er noch die Schlafzimmertür hinter sich schloß, verwünschte er sich selbst. Kein Wunder, daß Christa ihn so verständnislos und verletzt angesehen hatte. Wäre er aber noch eine Sekunde länger bei ihr geblieben, hätte er sich nicht mehr beherrschen können und sie geliebt. Nicht nur, weil er sie so sehr begehrte, sondern auch, weil er dankbar dafür war, daß sie in Sicherheit waren und sie alle Probleme gelöst und die Barrieren, die zwischen ihnen gestanden hatten, beseitigt hatten. Andererseits war ihm bewußt, wie sehr Frauen sich stets über das tiefverwurzelte Bedürfnis der Männer beschwerten, Gefühle durch Sex auszudrücken.
Er hatte die blauen Flecke auf Christas Körper gesehen. Und wenn er sie jetzt umarmte und küßte, würde es ihm bestimmt nicht gelingen, sie so sanft und zurückhaltend zu behandeln, wie es ihr Zustand erforderte. Sogar bei dem flüchtigen Kuß, den er ihr vor wenigen Minuten auf die Lippen gedrückt hatte, hatte er sich nur mühsam zurückhalten können,
Weitere Kostenlose Bücher