Walisischer Sommer
mich von der Effizienz deiner Kurse zu überzeugen.” Schon wieder erschienen Tränen in ihren Augen. „Du solltest gar nicht hier neben mir sein, es ist viel zu gefährlich. Und alles ist nur meine Schuld.”
„Nein, meine”, wandte Daniel mit ernster Miene ein. „Ich habe heute morgen ganz deutlich gemerkt, daß irgend etwas mit dir nicht stimmte. Aber dann habe ich mir eingeredet …”
„Ich hätte schlechte Laune wegen gestern abend”, fiel sie ihm ins Wort. Plötzlich wurde sie ganz blaß.
„Was hast du? Ist dir nicht gut?” fragte Daniel erschrocken.
„Keine Sorge. Es ist nur …” Sie sah hoch und Daniel an. „Wenn uns etwas zustößt … Wir haben uns noch nicht geliebt. Ich habe deinen Körper nicht an meinem gespürt, habe dich nicht berührt, nicht in den Armen gehalten. Darüber habe ich schon nachgedacht, als ich auf dich gewartet habe. Es war dumm, soviel Zeit zu verschwenden. Du hattest recht, ich wollte dir nicht vertrauen, denn ich hatte Angst.”
Dann erzählte sie ihm endlich, wie es ihrer Freundin Laura ergangen war. Und als sie damit fertig war, schwieg Daniel eine Zeitlang, so daß Christa befürchtete, er wäre verärgert.
„Ich weiß, ich hätte dich nicht in dieses Klischee pressen dürfen”, fügte sie heiser hinzu. „Du hast richtig vermutet, seit dem Tod meiner Eltern wage ich nicht mehr, jemandem zu vertrauen. Daniel, ich bitte dich, mich jetzt nicht zu hassen.”
„Dich hassen?” wiederholte er. „Christa, wenn ich jemanden hasse, dann nur mich. Ich hätte viel mehr Verständnis für dich aufbringen müssen, statt so überheblich zu verlangen, daß du an das glaubst, was ich sage.” Auf einmal runzelte er die Stirn und schaute zum Himmel. „Hörst du es auch? Da ist der Hubschrauber. Gleich ist er über uns.” Er betrachtete sie nachdenklich. „Und wenn alles vorbei ist, sorge ich dafür, daß du all die süßen, sinnlichen Versprechen, die du mir gemacht hast, auch einlöst. Ich habe kein einziges davon vergessen”, warnte er sie rauh.
„Sieht so aus, als müßte ich den Rest meines Lebens damit verbringen, meine Schulden abzuarbeiten.” Ihr war schwindlig vor Erleichterung und Glück. Und nicht nur deshalb, weil sie bald gerettet würden, sondern auch, weil sie sich ihm anvertraut und zum erstenmal mit jemandem über ihre geheimsten Ängste gesprochen hatte. Sie fühlte sich so leicht und euphorisch, daß es sie beflügelte.
„Oh, Daniel.” Das Herz floß ihr über vor Liebe, während sie die Hand ausstreckte und Daniel zärtlich das Gesicht streichelte.
„Tu das bitte nicht.” Er stöhnte auf. „In wenigen Sekunden ist der Hubschrauber über uns, und du weißt doch, was du da mit mir machst.”
Christa wollte etwas erwidern. Doch in diesem Augenblick tauchte die Maschine auf, und man verstand sein eigenes Wort nicht mehr.
Und nun geschah alles so schnell, daß Christa sich später nur ungenau daran erinnerte. Sie atmete auf, als man sie schließlich in den Helikopter zog, ängstigte sich jedoch sehr um Daniel, der noch an der Felswand hing. Diese schrecklichen Sekunden würde sie bestimmt niemals vergessen. Und auch nicht das Gespräch zwischen Daniel und einem der Männer des Rettungsteams.
„Du hast Glück gehabt, daß du uns den Unfallort so genau beschrieben hast”, meinte der Mann. „Von der Küste her ziehen nämlich Wolken auf, so daß wir nicht viel Zeit gehabt hätten, nach euch zu suchen. Ihr hättet dann die Nacht dort draußen verbringen müssen. Welcher Teufel hat dich eigentlich geritten hinunterzuklettern? Als Mitglied des Rettungsdienstes weißt du doch genau, wie brüchig der Schiefer ist. Er hätte nachgeben und dich mit in die Tiefe reißen können. Ist ja schon vorgekommen. Die junge Frau war relativ sicher, obwohl ich diesem Felsvorsprung auch nicht unbedingt traue.”
„Es war ein kalkuliertes Risiko”, erwiderte Daniel so leise, daß Christa ihn kaum verstand.
„Unsinn”, widersprach der andere. „Es gibt meiner Meinung nach nur zwei Gründe, weshalb jemand sich einer solchen Gefahr aussetzt. Entweder liegt es in seiner Natur, stets den Helden zu spielen, oder er tut es aus Liebe.” Dabei schaute er Daniel nachdenklich an.
Christa liefen Tränen über die Wangen. Daniel liebte sie. Sie hätte selbst darauf kommen können, ohne daß ihr ein Dritter auf die Sprünge half. Egal, was in Zukunft zwischen ihnen geschah, sie würde sich niemals verzeihen, daß sie nicht den Mut gehabt hatte, an Daniel zu
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