Walking Disaster
du weggerannt bist. Aber dann hab ich mich verlaufen und musste einen anderen Weg nach draußen finden. Ich bin außen die Mauer entlanggelaufen und habe nach dem Fenster gesucht, aber dabei bin ich auf ein paar Cops gestoßen, die mich aufgehalten haben. Da bin ich fast ausgeflippt!«, erklärte er und fuhr sich mit der Hand über den Kopf.
Ich strich Abby mit meinen Daumen über die Wangen und zog dann mein T-Shirt hoch, um mir den Ruß vom Gesicht zu wischen. »Lasst uns hier verschwinden.«
Nachdem ich meinen Bruder noch mal umarmt hatte, machte er sich auf den Weg zu seinem Wagen, und wir gingen zu Americas Honda.
Während der ganzen Fahrt hielten wir uns fest an der Hand.
»Du hast mir das Leben gerettet«, sagte sie leise.
Ich runzelte die Stirn. »Ohne dich wäre ich da nicht weggegangen.«
In der Wohnung nahmen wir beide eine lange Dusche, danach goss ich jedem von uns mit immer noch zitternden Händen ein Glas Bourbon ein.
Ich hörte sie den Flur entlangtapsen, dann fiel sie wie benommen aufs Bett.
»Hier.« Ich hielt ihr ein volles Glas mit bernsteinfarbener Flüssigkeit hin. »Das wird dir helfen, zur Ruhe zu kommen.«
»Ich bin nicht müde.« Sie schüttelte den Kopf.
Ich streckte ihr das Glas immer noch hin. Sie mochte zwar zwischen Gangstern in Las Vegas aufgewachsen sein, aber wir hatten gerade den Tod gesehen – und zwar vielfach – und waren ihm nur mit knapper Not selbst entronnen. »Versuch doch, ein bisschen Schlaf zu finden, Täubchen.«
»Ich hab fast Angst, meine Augen zu schließen«, sagte sie, nahm endlich das Glas und stürzte seinen Inhalt hinunter.
Ich nahm ihr das Glas wieder ab, stellte es auf den Nachttisch und setzte mich neben sie aufs Bett. So schwiegen wir eine Weile und sannen über die letzten Stunden nach. Es war geradezu irreal.
»Viele Menschen sind heute Abend gestorben«, sagte ich.
»Ich weiß.«
»Trent und ich sind beim Rauslaufen einer Gruppe begegnet. Ich frage mich, ob sie es wohl geschafft haben …«
Abbys Hände begannen zu zittern, also tröstete ich sie auf die einzige Weise, die mir einfiel. Ich hielt sie in meinen Armen.
Schließlich entspannte sie sich an meiner Brust und seufzte noch einmal. Ihr Atem wurde gleichmäßiger und sie schmiegte ihre Wange noch enger an mich. Zum ersten Mal, seit wir wieder zusammen waren, fühlte ich mich ihrer absolut sicher, als ob die Dinge wieder so wären wie damals vor Vegas.
»Travis?«
Ich senkte das Kinn und flüsterte in ihr Haar. »Was denn, Baby?«
Unsere Telefone klingelten gleichzeitig, und sie ging schon an ihres, während sie mir meins gab.
»Hallo?«
»Travis? Bist du okay, Mann?«
»Ja, Kumpel. Wir sind okay.«
»Mir geht es gut, Mare. Uns beiden geht es gut«, beruhigte Abby America.
»Mom und Dad flippen fast aus. Wir sehen es gerade in den Nachrichten. Ich hab ihnen nicht gesagt, dass du dort gewesen bist. – Was?« Shepley schien sich vom Telefon wegzudrehen, um seinen Eltern zu antworten. »Nein, Mom. Ich rede gerade mit ihm! Ihm geht’s gut! Sie sind in der Wohnung! Also«, fuhr er fort, »was zum Teufel ist da passiert?«
»Verdammte Laternen. Adam wollte kein grelles Licht, um weniger Aufmerksamkeit zu erregen und nicht aufzufliegen. Eine davon hat die ganze Hütte in Brand gesteckt … Es ist schrecklich, Shep. Viele Leute sind draufgegangen.«
Shepley holte tief Luft. »Irgendjemand, den wir kennen?«
»Weiß ich noch nicht.«
»Ich bin froh, dass es dir gut geht, Mann, so froh.«
Abby beschrieb America die schrecklichen Momente, als sie durch die Dunkelheit irrte und versuchte, nach draußen zu gelangen.
Ich zuckte richtig zusammen, als sie erzählte, wie sie ihre Fingernägel unter den Fensterrahmen gegraben hatte, um es irgendwie aufzukriegen.
»Mare, bitte reist nicht vorzeitig ab. Uns geht es gut. Wir sind okay. Du kannst mich am Freitag umarmen. Ich hab dich auch lieb. Macht es euch noch schön.«
Ich presste das Handy fester an mein Ohr. »Umarm lieber dein Mädchen, Shep. Sie klingt ganz schön mitgenommen.«
Shepley seufzte. »Ich bin einfach …« Er seufzte wieder.
»Ich weiß, Mann.«
»Ich häng an dir, Mann. Du bist für mich das, was einem Bruder am Nächsten kommt.«
»Und ich häng an dir, verdammt. Bis bald.«
Nachdem Abby und ich aufgelegt hatten, saßen wir eine Weile schweigend da. Dann lehnte ich mich in die Kissen zurück und zog Abby an meine Brust.
»Ist bei America alles okay?«
»Es war ein Schock für sie, aber das wird schon
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