Walking Disaster
Sie erstarrte kurz, warf einen Blick auf Abby und America, knöpfte dann ihre Bluse fertig zu.
Eine Minute lang war ich sprachlos und hörte nur die drei Worte »What the fuck?« durch meinen Kopf hallen. Anscheinend war sie doch nicht so unkompliziert, wie ich zunächst vermutet hatte, umso willkommener war mir das Auftauchen von America und Abby. Auch wenn ich immer noch nur meine Boxershorts trug.
»Hi«, sagte sie zu den Mädchen. Dann erblickte sie deren Gepäck, und ihr Erstaunen machte totaler Verwirrung Platz.
America funkelte Shepley an.
Der hob abwehrend die Hände. »Sie gehört zu Travis!«
Das war mein Stichwort. Lässig bog ich um die Ecke, gähnte und klopfte meinem Gast auf den Hintern. »Ah, da ist ja mein Besuch. Du gehst jetzt wohl besser.«
Sie schien sich ein wenig zu entspannen und lächelte. Erst schlang sie die Arme um meinen Nacken, dann küsste sie mich auf den Hals. Vor nicht einmal einer Stunde hatten ihre Lippen sich noch weich und warm angefühlt. Jetzt, vor Abby, kamen sie mir irgendwie klebrig vor.
»Ich leg dir meine Telefonnummer auf den Tresen.«
»Äh … mach dir damit keine Umstände«, meinte ich betont lässig.
»Was?«, fragte sie und lehnte sich zurück. Die Ablehnung in ihren Augen war nicht zu übersehen. Jetzt suchte sie in meinen nach etwas anderem als ich gerade geäußert hatte. Ich war froh, dass das jetzt passierte. Sonst hätte ich sie vielleicht wirklich angerufen und damit ein gewisses Durcheinander angezettelt. Dass ich sie fälschlicherweise für eine potentielle Vielfliegerin gehalten hatte, irritierte mich ein wenig. Ansonsten war ich ein besserer Menschenkenner.
»Jedes Mal das Gleiche!« America betrachtete das Mädchen. »Wie kann dich das überraschen? Er ist Travis Fucking Maddox! Er ist genau dafür berühmt-berüchtigt, und sie tun jedes Mal so überrascht!« Damit drehte sie sich zu Travis, der den Arm um sie legte und ihr bedeutete, sich zu beruhigen.
Die Augen der anderen wurden schmal und funkelten vor Zorn und Demütigung. Dann stürmte sie hinaus und schnappte sich nur noch im Vorübergehen ihre Tasche.
Die Tür knallte, und Shepley zog die Schultern hoch. Solche Szenen machten ihm zu schaffen. Ich dagegen hatte gleich noch eine Widerspenstige zu zähmen, also spazierte ich in die Küche und öffnete den Kühlschrank, als sei nichts. Das Glitzern in ihrem Blick kündete von einem Donnerwetter, wie ich es noch nicht erlebt hatte. (Und zwar nicht, weil ich noch keiner Frau begegnet war, die mir am liebsten den Kopf oder anderes abgerissen hätte, sondern weil ich mir nie die Mühe gemacht hatte, solange zu bleiben, um mir genau das anzuhören.)
America ging kopfschüttelnd den Flur hinunter. Shepley folgte ihr und ging ganz schief, um das Gewicht des Koffers auszugleichen.
Gerade als ich dachte, Abby würde loslegen, ließ sie sich in den Sessel fallen. Uff. Na schön … war sie eben angepisst. Sie würde schon drüber wegkommen.
Ich verschränkte die Arme und hielt einen minimalen Sicherheitsabstand ein, indem ich in der Küche stehenblieb. »Was ist los. Täubchen? Harten Tag gehabt?«
»Nein, ich bin nur total angewidert.«
Jetzt ging es also los.
»Von mir?«, fragte ich grinsend.
»Ja, von dir. Wie kannst du nur jemanden erst benutzen und dann so behandeln?«
Und so nahm die Geschichte ihren Lauf. »Wie habe ich sie denn behandelt? Sie hat mir ihre Nummer angeboten, ich habe das Angebot abgelehnt.«
Ihr blieb vor Staunen der Mund offen stehen. Ich bemühte mich, nicht loszulachen. Dabei weiß ich gar nicht, warum es mich so amüsierte, dass sie sich dermaßen über mein Benehmen echauffierte. »Du schläfst mit ihr, aber du willst ihre Nummer nicht?«
»Warum sollte ich ihre Nummer wollen, wenn ich sie sowieso nicht anrufen werde?«
»Warum solltest du mit ihr schlafen, wenn du sie danach nicht mal anrufen willst?«
»Ich verspreche niemandem irgendwas, Täubchen. Und sie hat auch keinen Beziehungsvertrag ausgehandelt, bevor sie auf meiner Couch die Grätsche gemacht hat.«
Angewidert starrte sie auf die Couch. »Sie ist die Tochter von jemandem, Travis. Was würdest du sagen, wenn irgendwann mal jemand so mit deiner Tochter umginge?«
Der Gedanke war mir auch schon mal gekommen, also war ich vorbereitet. »Meine Tochter sollte ihren Slip besser nicht für so einen Idioten wie mich fallen lassen, um es mal so auszudrücken.«
Das meinte ich auch so. Verdienten Frauen es, wie Flittchen behandelt zu werden? Nein.
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