Walküre
postieren.«
»Ich fürchte, das wäre ein wenig zu öffentlich für die Walküre. Drescher hat immer ruhigere Treffpunkte ausgesucht, an denen etliche Leute, aber keine Menschenmengen herumlaufen. Außerdem müssen wir das Risiko für die Allgemeinheit einschränken, falls etwas schief geht.«
»Könnten wir nicht den Altonaer Balkon nehmen?«, schlug Werner vor.
»Drescher hat ihn schon einmal benutzt, soweit wir wissen. Nämlich für die letzte Begegnung.«
»Und der Alsterpark neben deiner früheren Wohnung, Chef?« sagte Anna. »Am Ufer der Außenalster? Wir könnten die Gegend relativ leicht absichern, und es wäre schwierig für die Walküre, uns zu entdecken.«
Fabel dachte ein paar Sekunden lang nach. »Das klingt gut. Irgendwelche Einwände?«
Niemand meldete sich zu Wort.
»Also gut.« Fabel wandte sich an Werner. »Folgendes muss verschlüsselt und nach Dreschers Beispiel über drei Anzeigen verteilt werden: ›Alsterpark am Fährdamm. Elf Uhr dreißig, Mittwochs Damit haben wir eine Woche Zeit, alles vorzubereiten. Inzwischen werde ich ein bisschen in Goran Vujacics Lebenslauf herumstöbern. Es war sein verfrühtes Ableben, das Jens Jespersen nach Hamburg geführt hat.« Er sprach auf Englisch weiter und fragte Karin Vestergaard: »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich zu begleiten? Ich möchte, dass wir beide Gina Bransted einen Besuch abstatten. Die NeuHansa Group taucht in dieser Angelegenheit immer wieder auf.«
»Gern.« Sie lächelte auf so kühle Art, dass er an Margarethe Paulus erinnert wurde. »Es ist mir ein Vergnügen.«
Nachdem Fabel den Teammitgliedern ihre Aufgaben zugeteilt hatte, trat Astrid Bremer auf ihn zu. Sie wirkte jung und mädchenhaft, und er konnte sich kaum vorstellen, dass sie Expertin für Todesfälle war.
»Ich glaube, ich habe etwas gefunden«, sagte sie.
»In Sparwalds Haus?«, fragte Fabel hoffnungsvoll.
»Nein ... in Dreschers Wohnung. Wir haben einen Fingerabdruckspezialisten, der aus sehr schwachen oder alten Spuren Abdrücke rekonstruieren kann. Ich bin auf ein Päckchen Rondo Melange gestoßen, und mir kam es seltsam vor, dass jemand, der sich so sehr bemüht hat, seine Stasi-Vergangenheit hinter einer falschen westdeutschen Biografie zu verbergen, ausgerechnet eine beliebte ostdeutsche Kaffeesorte in seinem Schrank lagert. Tja, unser Experte hat sich gerade gemeldet. Wir haben einen Abdruck, der nicht dorthin gehört.«
»Der Kaffee war ein Geschenk?«
»Genau diesen Gedanken hatte ich auch«, sagte Astrid. »Es war ein Geschenk von jemandem, der Dreschers DDR-Hintergrund kannte. Dafür kommt nur eine einzige Person infrage ...«
Fabel hatte gerade sein Büro betreten, um seinen Mantel zu holen, als das Telefon klingelte.
»Hallo, Erster Hauptkommissar Fabel? Hier ist Dr. Lüttig ... Thomas Lüttig von SkK Biotech. Ich habe von Ralf gehört ... Eine Ihrer jungen Mitarbeiterinnen ist vorbeigekommen.«
»Kommissarin Wolff, ja. Es tut mir leid wegen Dr. Sparwald. Ich weiß, dass Sie ihn als Kollegen geschätzt haben.«
»Er war auch mein Freund, Herr Fabel. Aber Sie hatten mich gebeten, Ihnen Bescheid zu geben, wenn ich auf etwas Ungewöhnliches stoße. Und nachdem ich von Ralfs Tod gehört hatte, habe ich den Nachmittag damit verbracht, seine Sachen durchzusehen. Da ist etwas ... Es hat den Anschein, dass Ralf sich außerhalb seiner Tätigkeit für die Firma mit etwas beschäftigte, mit einer Art Privatprojekt.«
»So?« Fabel griff in seine Schublade und zog ein Notizbuch hervor. »Was für ein Privatprojekt?«
»Offenbar hat er Blutproben testen lassen. Nicht viele. Es sieht so aus, als seien es nur drei gewesen, jeweils von einem anderen Spender. Ich habe die Proben und einige Unterlagen gefunden. Es wirkt alles höchst merkwürdig.«
»Warum denn?«
»Die Tests waren sehr spezifisch. Ralf scheint nach PBDEs gesucht zu haben. Außerdem hat er die Tests persönlich durchgeführt und auf die vorgeschriebene Dokumentierung verzichtet. Aber ich habe eine Notiz über jede der Proben gefunden. Auf der ersten stand: weiblich, zweiundzwanzig, Provinz Hunan.«
»China ...« Fabel sprach im gleichen Maße mit sich selbst wie mit Lüttig.
»Ja. Aber die zweite stammt von woandersher. Weiblich, zweiundzwanzig, Bitola.«
»Bitola?«
»Ich hab's im Internet nachgesehen. Eine Stadt in Mazedonien. Stark industrialisiert.«
»Was sind übrigens PBDEs?«, fragte Fabel.
»Polybromierte Diphenylether. Sie werden häufig als Flammschutzmittel
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