Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walküre

Walküre

Titel: Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
Vom Netzwerk:
gesprochen, den du gerade bearbeitest. Noch nie.«
    »Ich werde eben indiskret auf meine alten Tage. Und wenn ich dir nicht vertrauen kann, Otto, wem zum Teufel dann wohl sonst ...« Fabel hob erneut sein Glas Jever. »Jedenfalls scheint sich meine gesamte Arbeit zurzeit auf gewalttätige Frauen zu konzentrieren. Apropos, auch Renate will mir an den Kragen.«
    »Weswegen?«
    »Gabi hat Interesse an einer Polizeilaufbahn geäußert. Anscheinend ist das meine Schuld.«
    »Wahrscheinlich ja. Am besten, man geht immer davon aus, dass man an allem die Schuld hat. Das klappt bei mir und Else hervorragend. Übrigens bin ich sicher, dass Gabi von dir beeinflusst worden ist. Kein Wunder, dass sie daran denkt, zur Polizei zu gehen.«
    Ein Tisch in der Ecke wurde geräumt, und sie gingen mit ihren Biergläsern dorthin. Während Fabel mit seinem Freund plauderte, spürte er, wie er sich entspannte. Otto war einer der unbeholfensten, unpraktischsten Menschen, die Fabel kannte, doch er wusste, dass der linkische, fast zwei Meter große Chaot einen unvergleichlich scharfen Verstand besaß. Sie waren seit ihrer ersten Begegnung befreundet, und Otto hatte die Fähigkeit, Fabels gelegentliche Maßlosigkeit und Selbstherrlichkeit wie einen Ballon platzen zu lassen.
    Während des Gesprächs wurde Fabel plötzlich von einem älteren Mann an der Bar abgelenkt, den er zu kennen glaubte, doch nicht einordnen konnte. Der Mann war leger gekleidet, aber alles an ihm deutete auf Wohlstand hin: Sein weißes Haar war makellos frisiert, und er trug einen hochwertigen tiefblauen Kaschmirpullover. Er schien in der Bar fehl am Platze zu sein, doch Fabel vermutete, dass er sie wegen seiner Gefährtin besuchte, einer außerordentlich schönen Frau, die neben ihm stand, doch drei Jahrzehnte jünger war als er.
    »Wahrscheinlich hat sie sich wegen seines Aussehens und seiner Persönlichkeit für ihn entschieden ...« Otto war Fabels Blick gefolgt. »Das nennt man Hypergamie, Jan: die Neigung von Frauen, Partner aus einer höheren Schicht zu wählen. Wir sollten uns glücklich schätzen, dass Else und Susanne nicht so kleinlich waren.«
    »Sie sind kein Paar«, sagte Fabel. »Sie ist nur ein Zeitvertreib für ihn. Aber das macht mir nicht zu schaffen, sondern der Mann ... Ich bin sicher, dass ich ihn schon mal gesehen habe. Kennst du ihn?«
    Otto griff in seine Jacketttasche, zog seine Brille hervor und spähte zu den beiden hinüber.
    »Herrje, Otto ...« Fabel zog seinen Freund, der sich vorgebeugt hatte, zurück. »Hast du nicht gesagt, du könntest jederzeit Polizist werden, wenn der Buchhandel zusammenbricht? Vergiss das lieber. Ich glaube, dass dir eine heimliche Überwachung schwerfallen würde.«
    Otto grinste. »Je offensichtlicher, desto unauffälliger. Übrigens kenne ich ihn tatsächlich. Das heißt, eigentlich kenne ich ihn nicht, sondern ich habe von ihm gehört. Er heißt Hans-Karl von Birgau und ist was Bedeutendes im Wirtschaftsleben. Er stammt aus einer Aristokratenfamilie, aber mir fällt ums Verrecken nicht ein, was für Geschäfte er betreibt. Hilft dir das?«
    »Nicht sehr.« Fabel zog die Brauen zusammen. »Ich kann mich nicht erinnern, wo ich ihm begegnet bin, aber ich sehe ihn nicht zum ersten Mal.«
    »Vielleicht hat er seinen Rolls-Royce in der zweiten Reihe geparkt, und du hast ihm ein Knöllchen verpasst.« Otto lachte laut über seinen eigenen Witz.
    Der ältere Mann und die junge Frau gingen Fabel aus dem Sinn, als sie sich an einen Tisch hinten im Lokal setzten. Otto und er blieben noch ungefähr eine Stunde, aber Fabel trank nun wie immer Alsterwasser anstelle von Bier.
    Fabel beabsichtigte, ein Taxi zu nehmen und Otto auf der Rückfahrt zu Hause abzusetzen. Nach der Wärme der Bar erschien ihnen die Nachtluft besonders kalt und feucht. Die Brise hatte sich zu einem Wind verstärkt, der ihnen boshaft eisige Regentropfen ins Gesicht schleuderte. Fabel hatte mit seinem Handy ein Taxi bestellt, doch zu seiner Verärgerung war es noch nicht eingetroffen. Sein Blick fiel auf von Birgau und seine junge Begleiterin, die aus dem Lokal an ihnen vorbeieilten. Die Lichter blinkten an einem nagelneuen Range Rover Vogue, der etwas weiter unten an der Straße geparkt war. Der Mann und das Mädchen stiegen ein und fuhren davon.
    »Vielleicht war es seine Tochter«, bemerkte Otto mit einem ironischen Lächeln. Ein beiger Mercedes rollte heran, und Fabel musterte unwillkürlich das Dachschild und das Kennzeichen, bevor er den Schlag

Weitere Kostenlose Bücher