Walküre
Freundinnen gehabt, doch nie sonderlich lange. Meistens wurden sie kiebig, und dann haute er ihnen eine runter, bevor sie sich allzu hysterisch benahmen. Zum Teufel mit ihnen. Mit allen.
Armin ging weiter. Seine Wut und die Schmerzen im Schritt machten ihn blind seiner Umgebung gegenüber. Er blieb stehen. Wo, verdammt noch mal, war er bloß? Er hatte geglaubt, sich auf dem Kiez auszukennen, doch er musste falsch abgebogen sein. Nachdem er sich einen Moment lang neu orientiert hatte, bog er an der nächsten Straße nach rechts ab. Er sah die Reeperbahn vor sich, aber der Spielbudenplatz lag nun offenbar hinter ihm. Egal, es würde nicht schwer sein, ein Taxi zu finden. In derselben Sekunde fiel sein Blick auf einen beigen Mercedes, und seine Hand hob sich. Eine automatische Reaktion: In Deutschland waren alle Taxis beige, also mussten alle beigen Autos Taxis sein. Mit einem Ächzen ließ er sich auf dem Rücksitz nieder.
»Eppendorf«, stieß er zwischen den Zähnen hervor.
»Fühlen Sie sich nicht wohl?«, fragte eine Stimme vom Fahrersitz. »Sie sehen nicht gut aus.«
Das hat mir noch gefehlt, dachte Armin. Eine Taxifahrerin.
»Bringen Sie mich einfach nach Eppendorf«, sagte er. Die Fahrerin zuckte die Achseln, der Wagen setzte sich in Bewegung und bog nach links in die Reeperbahn ab.
Erst nachdem sie am Ende der Reeperbahn die falsche Richtung zum Fluss einschlug, bemerkte Armin, dass das Taxi keinen Zähler hatte. Auch fehlten der Name der Fahrerin, ihr Foto und die Lizenz der Stadt Hamburg am Armaturenbrett.
Aber mittlerweile war es zu spät.
4.
Fabel fühlte sich erschöpft. Es war viel zermürbender, als er erwartet hatte. Susanne hatte ihn begleitet, und er war dankbar für ihre Anwesenheit.
»Das war sehr lohnend«, sagte eine große, dünne Frau von ungefähr fünfzig Jahren, die auf Fabel zutrat. Durch ihr Namensschild erfuhr er, dass sie Hille Deicher hieß und die Zeitschrift Muliebritas repräsentierte. »Ich hoffe, dass Sie etwas Nützliches von unserem Workshop mitnehmen.«
Fabel lächelte. Ihm leuchtete nicht ein, weshalb Geschäftsleute, Selbsthilfe-Gurus und andere darauf bestanden, Zusammenkünfte als »Workshops« zu bezeichnen. Niemand stellte dabei etwas her; keiner der Teilnehmer an solchen Veranstaltungen arbeitete mit den Händen.
»Es war interessant«, sagte Fabel. »Aber ich hoffe, klargemacht zu haben, dass die Polizei Hamburg keinen zusätzlichen Anstoß benötigt, um sich dem Problem der häuslichen Gewalt und der Gewalt gegen Frauen im Allgemeinen zu widmen. Wir sind sehr ...« Er rang nach dem richtigen Wort.
»Proaktiv«, ergänzte Susanne hilfsbereit.
»Genau«, bestätigte Fabel. »Seit mehreren Jahren betreiben wir ein Antigewaltprogramm. Ich kann Ihnen versichern, dass wir eine Nulltoleranzhaltung vertreten, wenn es um Gewalt gegen Frauen oder Kinder geht. Und wir können bei der Bewältigung des Problems eine der höchsten Erfolgsquoten in Europa aufweisen. Aber ich muss auch betonen, dass wir uns dafür engagieren, alle Bürger Hamburgs zu schützen, unabhängig von ihrem Geschlecht oder von ihrer Volkszugehörigkeit.«
»Leider ist das Verbrechen nicht so geschlechtsneutral«, widersprach Hille Deicher. »Sie haben in Ihrem Vortrag doch selbst gesagt, dass die überwiegende Mehrheit der Morde von Männern an Frauen verübt wird, und zwar fast immer in der häuslichen Umgebung. Dem können Sie die zahllosen Angriffe auf Frauen in ihrem eigenen Zuhause hinzufügen.«
»All das trifft zu ...« Fabel warf Susanne einen inständigen Blick zu. »Und wir haben das Thema, wie ich ausgeführt habe, zu einer Priorität gemacht.«
»Vielleicht ist das der Grund, warum diese Frau ihre Morde in St.Pauli begeht ...« Frau Deicher lächelte ohne Wärme. »Vielleicht besteht ihr Motiv darin, das Ungleichgewicht der Gewalt zwischen Männern und Frauen zurechtzurücken. Schließlich gibt es keinen besseren Ort, an dem sie ihr Vorhaben verwirklichen könnte. Es ist ungeheuerlich, dass wir in Hamburg eine Straße haben, die Frauen nicht betreten dürfen.«
»Hören Sie, Frau Deicher ...« Fabel merkte, dass er wütend wurde. »Das hat nichts mit der Polizei oder dem Staat...«
»Was bedeutet Muliebritas eigentlich?«, unterbrach Susanne mit einem Lächeln.
»Das ist die lateinische Form von Muliebrität oder Fraulichkeit und der Name der Zeitschrift, für die ich arbeite. Genauso heißt die Wohltätigkeitsorganisation, die wir unterstützen.« Sie warf Fabel einen
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