Walküre
dazu kam.«
»Wahrscheinlich war die Ursache eine andere, nämlich die Rivalität zwischen Bossen des organisierten Verbrechens.« Fabel trank seine Tasse aus und erhob sich. »Vielen Dank für Ihre Zeit, Frau Meissner. Wenn Ihnen noch irgendetwas einfällt, das Sie für relevant oder auch nur für nebensächlich halten, rufen Sie mich bitte an.«
Er reichte ihr seine Visitenkarte der Polizei Hamburg mit der Nummer der Mordkommission.
Petra Meissner lächelte. »Sehr gern.«
10.
Hamburg ist eine Stadt der niedrigen Bauten. Mit Ausnahme des Fernsehturms dominieren die fünf protestantischen Kirchen, die einzige katholische Kathedrale und das Rathaus die Skyline des Stadtzentrums. Im Laufe der Jahre hatten die Planer dafür gesorgt, dass nichts im Stadtkern die Höhe der alten Kontorhäuser übertraf.
Allerdings war es zu gelegentlichen Ausfällen gekommen, weshalb das eine oder andere monolithische Hotel vom Rand des Stadtzentrums finster über Hamburg hinwegblickte. Im Unterschied zu Frankfurt oder London unterließ man jedoch jeden Versuch, eine amerikanische Skyline nachzuäffen. Hamburg verzichtete auf ein Canary Wharf. Vielmehr stellten sich die Architekten der gestalterischen Herausforderung, eindrucksvolle Gebäude zu entwerfen, die mit dem Charakter und der Geschichte der Stadt harmonierten. Das galt allerdings nicht für das HanSat-Gebäude. In der Neustadt gelegen, war die funkelnde Zentrale des Satellitensenders einer jener Konzerntürme aus Glas und Stahl, deren Wolkenkratzer-Ambitionen man buchstäblich hatte kappen müssen. Sylvie Achtenhagens Büro lag im dritten von zehn Stockwerken. Sie war gerade dorthin zurückgekehrt, nachdem sie ihren Beitrag zum Abendprogramm gefilmt hatte, als sich die Tür öffnete und Andreas Knabbe, ohne anzuklopfen, eintrat.
»Wie geht's?«, fragte Knabbe auf seine übliche Art, die vermuten ließ, dass er sich den Teufel darum scherte, wie es ihr oder sonst jemandem ging. Er ließ sich auf dem Rand ihres Schreibtisches nieder.
»Was kann ich für Sie tun, Herr Knabbe?« Sie lächelte mit dem gleichen Grad an Aufrichtigkeit.
»Ich habe gerade den Bericht gesehen, den Sie für heute Abend gedreht haben. Die Sache über Frauenhandel.«
»Und?«
»Und er war sehr gut. Sehr ...« Er tat so, als suche er nach dem richtigen Wort, und betrachtete die Zimmerdecke. »Sehr verdienstvoll. Aber wissen Sie ...«
»Was?«
»Um ehrlich zu sein, er war etwas, na ja, deprimierend.«
»Das tut mir leid ...« Ihr Lächeln war zu einer Grimasse geworden. »Sie haben wahrscheinlich recht, dass ich den komödiantischen Aspekt der Tatsache, dass vierzehnjährige osteuropäische und asiatische Mädchen in die Sexsklaverei verkauft werden, etwas heruntergespielt habe.«
»Genau.« Ihre Ironie rauschte an Knabbes kostspielig frisiertem Kopf vorbei. »Ich finde einfach nicht, dass wir so etwas bringen sollten. Solche Beiträge eignen sich eher für das Erste oder das ZDF. Wir brauchen Sachen mit ein bisschen Schwung. Wie diese Engel-Geschichte in St. Pauli. Also, das war wirklich ...«
»Ja, ich weiß. Sie haben schon öfter betont, dass Sie die damaligen Reportagen für meine Sternstunde halten. Übrigens nehme ich die Story wieder auf. Aber ich muss auch andere Themen behandeln.«
»Vielleicht, Sylvie – das ist nur eine Anregung –, aber vielleicht sollten wir jemand anderem den Stab übergeben.«
Sylvie Achtenhagen sprang so plötzlich auf, dass Knabbe die Fassung verlor. Sie näherte ihr Gesicht dem seinen so dicht, dass er gezwungen wurde, vom Rand ihres Schreibtisches zu rutschen. »Wagen Sie bloß nicht, mir die Story wegzunehmen. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich daran arbeite. Und ich mache Fortschritte. Wenn die Story herauskommt, dann durch mich. Und zwar ganz groß. Wenn Sie jemand anderen darauf ansetzen, werde ich kündigen und mit dem Material zu einem unserer Konkurrenten gehen. Ist das klar, Andreas?«
Knabbe starrte sie ein paar Sekunden lang an. Etwas in ihrem Gesicht hatte ihn schockiert. »Kein Grund, sich aufzuregen«, sagte er schließlich. »Ich habe nur über die beste Lösung nachgedacht.«
»Die beste Lösung ist, dass ich die Arbeit, die ich begonnen habe, auch beende.« Sie war wieder ruhig, doch etwas schwelte weiter. »Ich garantiere Ihnen, dass es eine mordsmäßige Story wird.«
»Okay.« Knabbe schien einen Teil seiner Fassung zurückgewonnen zu haben. »Aber wenn nichts daraus wird ...«
»Daraus wird etwas. Das verspreche ich
Weitere Kostenlose Bücher